Ziel: Armutsbekämpfung

■ Auf der Tagung von IWF und Weltbank wird verhandelt, wie der Schuldenerlass für die ärmsten Länder finanziert werden soll

Die Sonne strahlte und der Kölner Dom lachte über den Rhein herüber, als sich 50.000 Menschen an den Händen fassten und forderten: „Durchbrecht die Schuldenkette! Erlasst den armen Ländern ihre Schulden!“ Von dieser Menschenkette symbolisch umschlossen wie die Entwicklungsländer von ihren Schulden, tagten im Kölner Gürzenich zur gleichen Zeit die Staats- und Regierungschefs der sieben wirtschaftsstärksten Länder der Welt. Ergebnis des Treffens: der G 7-Beschluss, 33 armen und hoch verschuldeten Ländern ihre Schulden zu erlassen.

Das war im Juni. Inzwischen ist die Kirchentagsstimmung des Kölner Gipfels verflogen, die Finanz- und Entwicklungshilfeminister tagen am Wochenende in Washington anlässlich der Herbsttagung von IWF und Weltbank. Und hier herrscht ein nüchternerer Ton: Es geht um Geld, die wohlfeilen Worte der Regierungschefs sollen um verbindliche Finanzierungszusagen ergänzt werden.

Zwar waren in Köln alle Mitglieder der G7-Runde dafür, 33 hochverschuldeten Staaten insgesamt rund 70 Milliarden Mark Schulden zu erlassen. Versprochen hatten die Regierungschefs jedoch nichts weiter, als die Bereitstellung der nötigen Mittel „wohlwollend zu prüfen“. Waren für die Ausarbeitung der Kölner Schuldeninitiative die Entwicklungshilfeminister zuständig, so ist die Finanzierung Sache der Finanzministerien.

Immerhin einigten sich die Entwicklungshilfeminister darauf, den Schuldenerlass mit dem Ziel der Armutsbekämpfung zu verknüpfen – nach den Worten der deutschen Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul „ein Riesenschritt voran“. Die Ersparnisse durch den Schuldenerlass müssen nachweislich im sozialen Bereich investiert werden. Dazu sollen für jedes Land „Armutsindikatoren“ entwickelt werden. Ein Widerspruch zur restriktiven Politik, die der Währungsfonds seinen Schuldnern verschreibt? Nein, findet die Ministerin. Denn auch die Strukturanpassungsprogramme sollen armutsorientierter werden, der Zeitraum für die obligatorischen Wirtschaftsreformen kann bei „guter Führung“ verkürzt werden.

Kritik kommt von den Entwicklungshilfeorganisationen. „Wie sollen eigentlich die Spielräume für eine armutsorientierte Politik entstehen“, fragt etwa Barbara Unmüssig vom Entwicklungsverband WEED, „wenn beim Sozialbudget wegen der Sparauflagen des IWF gespart werden muss?“ Trotz solcher Kritik ist Wieczorek-Zeul, die als Entwicklungshilfeministerin auch Gouverneurin bei der Weltbank ist, optimistisch. „Es sieht ganz so aus, als würden wir die Finanzierung jetzt beschließen.“ Für die rund neun Milliarden Mark, die die Bundesregierung – auf viele Jahre verteilt – aus der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit erlassen hat, scheint fürs Erste alles klar: „Hierfür haben wir im laufenden Haushalt 50 Millionen Mark eingeplant, für die nächsten drei Jahre jeweils rund 60 Millionen Mark“, erklärt die Ministerin. Fast die Hälfte der Schulden, die nach den Kölner Beschlüssen gestrichen werden, sind aber multilateral: Sie werden nicht von einem einzelnen Land, sondern von einer Schuldnergemeinschaft erlassen. Die jedoch ist sich zur Zeit noch nicht einig. „Hinter den Kulissen gibt es um die multilaterale Finanzierung noch ein Tauziehen“, sagt die Ministerin.

Zwei Milliarden Mark sollen aus dem Europäischen Entwicklungsfonds abgezapft werden. Den Rest soll, zumindest nach Auffassung der deutschen Ministerin, die Weltbank aus ihren Reserven decken. Sicher ist das aber noch nicht. „Hierüber wird zur Zeit kräftig gepokert“, sagt Wiezcorek-Zeul.

Dass es sich bei ihrem Vorschlag lediglich um Umschuldung handelt und keine zusätzlichen Weltbank-Mittel zur Verfügung gestellt werden, räumt Wieczorek-Zeul ein. „Die Bank hat ja nur eine bestimmte Summe zur Verfügung: Was den armen Ländern gegeben wird, muss an anderer Stelle weggenommen werden. Aber diese Summe sollte auch wirklich für die Armutsbekämpfung eingesetzt werden, was derzeit nicht immer der Fall ist.“

Der Schuldenexperte und Südwind-Mitarbeiter Pedro Morazán kritisiert den Vorschlag. „Die Praxis könnte so aussehen: Die Weltbank überweist das Geld, mit dem der Schuldenerlass finanziert wird, an die Internationale Entwicklungsbank IDA. Die ist für die ärmsten Länder gegründet worden und gewährt Kredite zu besonders niedrigen Zinsen. Die Länder setzen dieses Geld aber nicht unbedingt für die Armutsbekämpfung ein, sondern auch, um die Zinsen ihrer verbleibenden IWF- und Weltbank-Schulden zu zahlen.“ Damit, so Morazán, würde jedoch das Geld aus dem Schuldenerlass an die reichen Gläubigerstaaten zurückfließen.