Schutztruppe will heute in Osttimor eintreffen

■ Oberkommandeur bespricht in Dili die Landung vorab mit indonesischen Militärs

Berlin (taz) – Die Ankunft der ersten Einheiten der Interfet-Schutztruppe in Osttimor hat sich am Wochenende weiter verzögert. Der Oberkommandierende Peter Cosgrove traf erst am Sonntag mit einem 13-köpfigen Vorauskommando zu einem Kurzbesuch und Gesprächen mit indonesischen Militärs im zerstörten Dili ein.

Die ersten Einheiten der multinationalen Truppe sollen voraussichtlich heute mittag in Osttimor eintreffen. Innerhalb einer Woche sollen 3.200 Soldaten in Osttimor stationiert werden, teilte Australiens Premierminister John Howard gestern mit. Die Truppe soll bis Mitte Oktober ihre Gesamtstärke von 7.000 bis 8.000 Mann erreichen. Howard wies gestern in einer Fernsehansprache die australische Bevölkerung erneut darauf hin, dass der Einsatz langfristig und gefährlich werden könnte. Australien wird mit 4.500 Mann das größte Kontingent der Truppe aus einem Dutzend Staaten stellen.

Am Samstag waren neun australische, britische und neuseeländische Kriegsschiffe aus dem nordaustralischen Hafen Darwin in Richtung Osttimor ausgelaufen, wo sie heute erwartet werden. Zum ersten Kontingent gehören auch thailändische Soldaten.

Bei seinem gestrigen Besuch in Dili handelte Interfet-Kommandeur Cosgrove mit indonesischen Offizieren die Einzelheiten des Truppeneinsatzes aus. Der australische Generalmajor setzte dabei auf Transparenz und lobte anschließend das kooperative Verhalten der Indonesier, mit denen er den Einsatzplan durchgesprochen habe. Beide Seiten seien dabei sehr offen miteinander umgegangen, so Cosgrove. Er forderte zugleich die proindonesischen Milizen auf, ihre Waffen niederzulegen, sagte aber auch, dass er „einige Unruhe“ bei der Ankunft am Montag erwarte.

Der Milizenführer Eurico Guterres sagte laut amtlicher indonesischer Nachrichtenagentur Antara, seine Männer würden sich von der multinationalen Truppe nicht aus Osttimor drängen lassen. Er wolle Interfet keine Probleme bereiten, doch solle Interfet einem Teilungsplan zustimmen, demnach die Kontrolle über Osttimor zwischen den Milizen und Interfet aufgeteilt werden solle. Eine Teilung Osttimors solle denjenigen, die das wollten, den Verbleib bei Indonesien ermöglichen.

Der Führer der osttimoresischen Unabhängigkeitsbewegung und potentielle erste Präsident eines unabhängigen Osttimors, Xanana Gusmao, traf gestern in Darwin ein. Dies bestätigte dort der Sprecher der Unabhängigkeitsbewegung für Australien, Joao Carrascalao. Gusmao hatte nach seiner Freilassung aus dem Hausarrest in Jakarta vor zwei Wochen dort Zuflucht in der britischen Botschaft gefunden. Wegen Todesdrohungen habe er Jakarta jetzt verlassen, hieß es. Ob Gusamao schon in den nächsten Tagen mit der internationalen Friedenstruppe nach Osttimor reisen will, ist nicht bekannt. Laut Carrascalao plant Gusmao zunächst die Bildung einer Exilregierung.

Inzwischen sind auch die ersten Journalisten nach Dili zurückgekehrt. BBC-Korrespondenten berichteten von weiteren Angriffen von Milizen und indonesischen Soldaten auf Zivilisten. Die Straßen seien leer, die meisten Häuser zerstört oder geplündert. Laut eines unbestätigten Berichts eines Vertreters der EU-Kommission seien allein Freitag nacht 150 bis 200 Menschen ermordet worden.

In Indonesien wächst die Stimmung gegen die internationale Intervention in Osttimor. So zitiert die Nachrichtenagentur Reuters aus Surabaya einen Führer der eigentlich eher gemäßigten muslimischen Massenorganisation Nadhlatul Ulama (NU), demnach sich bereits über hunderttausend indonesische Muslime freiwillig für einen Heiligen Krieg gegen die multinationale Schutztruppe gemeldet hätten. Präsident B. J. Habibie muss sich heute in Jakarta auf einer von Nationalisten beantragten Sitzung des Parlaments vor dem Parlament rechtfertigen, warum er die internationale Truppe überhaupt ins Land geholt hat. Sven Hansen