Musikszene Senegal

In den Nachrichten taucht der Senegal selten auf – was wohl am vergleichsweise stabilen politischen System liegt. In musikalischer Hinsicht jedoch macht der westafrikanische Staat von sich reden. Als einer der Hauptexporteure des afrikanischen Kontinents beliefert er die Welt mit seiner Musik, und Interpreten wie Youssou N'Dour, Baaba Maal oder die Sängerin Coumba Gawlo sind längst auch in Europa ein Begriff.

Im Senegal haben sich immer schon auch musikalische Moden aus dem Ausland niedergeschlagen, vor allem karibische Klänge hatten prägenden Einfluss. In den Jahren vor und nach der Unabhängigkeit (1960) waren kubanische Tänze wie Rumba, Mambo und Son in ganz Westafrika der angesagte Sound. Später setzte der Reggae aus Jamaika zum Siegeszug durch den Kontinent an, und die senegalesische Afro-Reggae-Band Toure Kunda zählte eine Weile zu den erfolgreichsten Repräsentanten der Rastafarimusik.

In den Siebzigerjahren bildeten sich im Zuge der Entkolonialisation in vielen afrikanischen Ländern lokale Stilrichtungen heraus, die eine Verbindung herstellten zwischen regionaler Folklore und internationalen Elementen. Der als M'balax bekannte Musikstil des Senegal baut auf traditionellen Rhythmen auf, verbindet diese aber mit Einflüssen aus Pop und Salsa zu einer eigenständigen, durchaus kommerziellen Mixtur, an der inzwischen auch viele Nichtafrikaner Gefallen gefunden haben. Der wohl bekannteste Sohn des Senegal, Youssou N'Dour, trug viel bei zur Popularisierung des M'balax. Die Musikszene des Landes profitiert aber auch von ihrer Anbindung an Frankreich.

Seit ungefähr zehn Jahren ist nun auch HipHop, die Musik aus dem afroamerikanischen Underground der USA, im Senegal heimisch geworden. Als Pioniere des Genres gelten die Rapper der Gruppe „Positive Black Soul“ (PBS), die Anfang der neunziger Jahre mit ihrem Hit „Boul Falé“ (Don't Worry) das Schlagwort für eine ganze Generation prägten. Heute ist Senegals Kapitale Dakar mit zirka zweitausend Bands die heimliche Hauptstadt der afrikanischen HipHop-Bewegung; zu den führenden Vertretern zählen – neben PBS – Gruppen wie Pee Frois, Daara J, Da Brains und Sunu Flavor.

Bislang ist es allerdings nur den Pionieren von PBS vergönnt gewesen, auch außerhalb des Senegals nenneswerte Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Der französische Rap-Star MC Solaar alias Claude M'Barali, der aus dem Senegal stammt und dort eine große Fan-Basis besitzt, führte seine Kollegen aus Dakar 1992 in Europa ein und verhalf PBS zu einem Vertrag bei einer namhaften Plattenfirma, dort erschien 1995 ihr internationales Debüt „Salaam“ (Mango/Island). Inzwischen konnte die Gruppe Daara J mit einer Veröffentlichung in Frankreich (Declic) folgen, doch ein großes Echo hat die senegalesische HipHop-Revolution in Europa noch nicht gefunden. Der Grund? Wahrscheinlich klingt afrikanischer HipHop zu wenig folkloristisch, um auf Interesse bei der Weltmusikfraktion zu stoßen. Und die HipHop-Gemeinde denkt, trotz aller Mutterland-Rhetorik, absolut amerikazentrisch.

Daniel Bax