Die Australier wollen nicht Jakartas Sündenbock sein

■ Indonesien kündigt Militärpakt mit Australien, dort wächst die Sorge vor dem Nachbarn

Sydney (taz) – 2000 australische Soldaten bereiten sich in Darwin auf ihren Einsatz in Osttimor vor. Die ersten Einheiten der Friedenstruppe Interfret sollen am Sonntag oder spätestens am Montag in Osttimor landen. Sie werden von 400 neuseeländischen und 250 britischen Gurkha-Soldaten begleitet. Insgesamt sollen rund 8.000 Soldaten aus zehn Ländern in Osttimor stationiert werden, um dort die Gewalt zu beenden, den Frieden wiederherzustellen und die Versorgung der Bevölkerung zu sichern. Oberbefehlshaber wurde der Australier Peter Cosgrove, ein Thailänder sein Stellvertreter.

Zwar darf die Truppe laut UN-Mandat ihre Waffen „zur Erfüllung ihrer Aufgabe“ benutzen, jedoch nicht für die Entwaffnung der mörderischen Milizen. Australische Osttimor-Experten erwarten, dass die Milizen nach Ankunft der Friedenstruppen „schnell von der Bildfläche verschwinden“ werden, „sobald sie nicht mehr von indonesischen Truppen unterstützt werden“. Deren Abzug soll mit der Stationierung der Friedenstruppe beginnen, erklärte gestern Osttimors indonesischer Militärchef.

Außer den von Australien zugesagten 4.500 Soldaten stellen Thailand 1.500, Portugal 1.000, Neuseeland 800, die Philippinen 600 bis 1.200, Kanada 600, Frankreich 500, Südkorea 400 und Großbritannien und Italien je 250 Soldaten in Aussicht. Die USA leisten logistische Hilfe. China will zivile Polizisten schicken. Malaysia sagte gestern ab, weil Interfret keine UNO-Truppe sei.

Canberra hatte sich einen größeren Beitrag der Asiaten gewünscht, weil Australien nicht der Hauptfeind indonesischer Nationalisten sein will. Das „besondere“ oder „freundschaftliche“ Verhältnis Australiens mit Indonesien, um das sich Canberra jahrzehntelang bemühte, ist über Osttimor zerbrochen. In Jakarta regen sich starke antiaustralische Gefühle. Indonesiens Regierung kündigte gestern den 1995 geschlossenen Militärpakt. Die Milizen drohen bereits: „Wir werden jeden Tag mindestens einen Australier töten.“

Canberra hatte sich unter dem Druck der eigenen Bevölkerung stark für das Unabhängigkeitsreferendum in Osttimor eingesetzt. Viele Australier fühlen sich heute noch in der Schuld der Osttimoresen. Im Zweiten Weltkrieg waren fast 40.000 Osttimoresen gestorben, weil sie australische Soldaten im Kampf gegen die Japaner unterstützt hatten. Doch Australien ließ die Osttimoresen im Stich, als Indonesien die ehemalige portugiesische Kolonie 1976 annektierte. Die 18 Millionen Australier wollten es sich nicht mit den 211 Millionen indonesischen Nachbarn verderben. Australiens Bevölkerung hat diese Regierungspolitik jedoch nie ganz mitgetragen. Als die ersten Bilder der Massaker in Osttimor über die Bildschirme flimmerten, kam es in Australien zum Sturm der Entrüstung, dem sich auch die Regierung nicht entziehen konnte. Mittlerweile scheinen einige ihr Engagement für Osttimor zu bereuen. Ihr Alptraum: Australische Soldaten könnten in Osttimor auf indonesische Soldaten schießen. Jakarta hat zwar die „volle Kooperation“ seiner Streitkräfte in Osttimor mit der internationalen Friedenstruppe versprochen. Doch Australiens Verteidigungsminister John Moore ist nicht allzu optimistisch: „Das indonesische Militär wird wahrscheinlich nicht sehr kooperativ sein, aber das heißt nicht, dass die Truppen sich uns gegenüber aggressiv verhalten werden.“

Premier John Howard warnt bereits vor Verlusten: „Es wird eine gefährliche und sehr riskante Operation werden. Australische Soldaten können dabei sterben.“ Die unerwartete Konfrontation lässt die Australier jetzt ihre Verteidigungsstrategien überdenken. Regierung und Opposition fordern schon eine Erhöhung des Verteidigungsetats. Esther Blank

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