Querspalte

■ So schmilzt der Sommer

Über uns ZDF-Zuschauer erzählt man sich allerhand. Meist kommen in diesen Geschichten Haarteile und Hüfthalter vor. Diffamierungen. Aber wir können das ab. Da beißen wir einfach den Zahnersatz zusammen. Wir erdulden sogar, dass beim „heute-journal“ auf eine herzerwärmende Lojewski-Woche wie gottgewollt Alexander Niemetz folgen muss. Der Mann, den sie Pferd nannten.

Aber das hier hatten wir noch nicht. Seit Jahren wirbt das ZDF-Werbefernsehen im Spiegel für die Lücken zwischen seinen Mainzelmännchen-Filmen. Nun wird auf Seite 227 Karin Gebhardt, Marketing-Chefin der Eisfirma Schöller, zitiert: „Beim ZDF kommt zu der Masse auch die Klasse! Nämlich die Qualität und Effizienz der Selektivseher.“

Die Frau redet nicht über einen Elektrohobel. Sie meint uns. Sie will ihren Kollegen „Entscheidern“ bedeuten, wir seien so manipulierbar wie notorische RTL-Gucker. Wir gingen in den Werbepausen nicht mal aufs Klo („Qualität“). Warum auch? Wir tragen ja unsere schwache Blase in einer Plastiktüte mit uns herum („Masse“, „Klasse“). Wir seien so „effizient“, dass wir schon zur Kühltruhe eimern, kaum dass sie uns einen Topf „Mövenpick Blutorange“ auf den Schirm gepflanzt hat. Wir würden „selektiv“ genau die Vorabend- und die Werbesendungen sehen, die exakt zu uns und damit zu Karin Gebhardts klebrigen Absichten passen.

Karin Gebhardt hat erstens Recht und zweitens ein adrettes Brillengesicht, das an Frau Puppendoktor Pille aus dem DDR-Kinder-TV erinnert. Doch Bürger mit solchem Vokabular gehören nun mal gepeinigt; also: Für ein „Curamaja-Split“ von Langnese (Langnese, hören Sie, hmm, lecker, Langnese!) kann man getrost die gesamte Jahresproduktion von „Schöller Blutorange“ eiskalt in den Toaster tropfen lassen. Selektiv und effizient. André Mielke