Sex, Crime, rauf und runter

■ Im Theater am Leibnizplatz demonstriert die Maskentheatergruppe „Familie Flöz“ den unwiderstehlichen Reiz des Aufzugfahrens

Rauf. Runter. Rauf. Runter. Rauf. Und wieder runter. Könnte man sich stundenlang angucken, wie die Herren Ferencz, Rascher, Schüler und Quiros auf der Bühne des Theaters am Leibnizplatz in ihrem imaginären Aufzug fahren. Zumal sie auch mit der restlichen Zeit durchaus was anzufangen wissen.

Zwischen den Fahrten etwa stoßen sie sich gegenseitig immer wieder mal in die Grube und fallen, nimmt man die immer schwächer zu hörenden Hilfeschreie zum Maßstab, schätzungsweise bis auf Sole sieben. Kurz darauf – Aufzug runter, und wieder rauf – gelangen sie vergleichsweise leicht lädiert wieder an die Oberfläche, legen einen Breakdance zu einer Bauzeichnung hin, spielen Mühle in einem Bierkasten oder lassen freudestrahlend einen Unglücklichen unter ihnen minutenlang mit dem Kopf gegen eine Betonplatte donnern.

Es ist nicht nur diese Vorliebe für die etwas abseitigen Formen zwischenmenschlichen Umgangs, die einnmehmen für das Maskentheaterstück „Familie Flöz kommt Über Tage“. Der ausgeprägte Hang für abgrundtiefe Gemeinheiten paart sich nämlich aufs Allerliebste mit virtuosem Nonsens und einem entzückenden Faible für Nebensächlichkeiten. So mutieren schwarze Plastikeimer einfach mal so zu überdimensionierten Kastagnetten in einer charmant choreographierten Balletteinlage. Ein metallenes Maßband verkürzt dem Chef der Baustelle schlangengleich die Frühstückspause. Und zum Abschluss des Abends zeigt das Quartett, wie man quasi mit Nichts und einem Klappstuhl wunderbar musizieren kann.

Eine durchgängige Geschichte, wie sie noch das Vorgängerstück „Ristorante Immortale“ auszeichnete, sucht man bei der „Familie Flöz“ vergebens. Es sei denn, man betrachtet das wiederholte Ab- und Auftauchen verschiedener Charaktere mit ausgeprägten Nasen an der Erdoberfläche, die sich anschließend auf vielschichtige Art und Weisen bekriegen, bereits als hinreichendes Indiz für einen Plot. „Familie Flöz“ wirkt wie eine Nummernrevue, zusammengehalten von den drei Typen „Chef“, „Stift“, seinem „Gesellen“ und einem Geräuscheproduzenten, der zumeist unsichtbar bleibt.

Nichtsdestotrotz lehrt der Abend, dass ein intensiver Blick auf das Geschehen einer Baustelle vor Augen führt, warum es nie was werden kann mit dem Sieg der Arbeiterklasse. Und dass man Bauarbeiter, wie überhaupt alle Menschen dieser Welt, ins Herz schließen muss, weil sie lächerlich liebenswürdig sind und ihr ganzes Streben nur der Realisierung des einen Wunschtraums dient: Einmal einen Orgasmus in einer mit Blubberblasen gefüllten Badewanne erleben zu dürfen. Was, wie auf der Bühne zu sehen war, zweifellos ein reizvolles Unterfangen sein muss.

Nach der Pause dann der Eklat. Familie Flöz, die ansonsten keine Miene verzieht und nie den Mund aufmacht, beginnt zu sprechen! Zwar sagen sie nicht mehr als „Bulleki, bulleki, bulleki“. Aber das reicht, um aus einem unschuldigen Baby ein bauarbeiterverschlingendes Monstrum zu machen, das den anschließenden Verdauungsprozess mit dem Inhalt eines rapide entleerten Bierkastens anheizt. Nur gut, dass die Familie Flöz des Regisseurs Michael Vogel so selten die Sprachlosigkeit verliert.

Franco Zotta

Heute und morgen, 19.30 Uhr, Theater am Leibnizplatz. Karten gibt es unter Tel.: 500 333