■ Berlin rennt
: Stalinzitate

Wenn es um schöne und große Berliner Laufregionen geht, darf der Treptower Park mit anschließendem Plänterwald nicht vergessen werden. Wie die Ortsnamen andeuten, sind es eigentlich zwei verschiedene Lauforte, die nur den Vorteil haben, kombinierbar zu sein. Das Gelände, auf dem heute das Sowjetische Ehrenmal steht, war schon in den zwanziger Jahren eines der beliebtesten Naherholungsgebiete mit der noch heute existierenden, um einen Drive-In erweiterten Gaststätte Zenner am Spreeufer.

Bei gutem Wetter – egal an welchem Wochentag – ist der zur Spree gewandte Teil des Treptower Parks mit Anlegestelle der Weißen Flotte und einem kleinen Rosengarten stets überfüllt. Da macht Laufen wenig Spaß. Bleibt man aber im Treptower Park, kann man seine Kreise drehen, wie man mag. Um den kleinen See etwa, Karpfenteich genannt, wo sich immer wieder die Möglichkeit bietet, auf einem der Trampelpfade den Weg abzukürzen. Man kann auch um die große Wiese laufen, auf der Bob Dylan 1987 sein DDR-Konzert gab, oder man läuft auf dem Gelände des Sowjetischen Ehrenmals, das mit all seinen Stalinzitaten dank des Zwei-plus-Vier-Vertrages unwillig gepflegt werden muss. Ist man genügend pietätlos, lassen sich die Stufen zum Denkmal des Sowjetsoldaten auch zum Treppentraining nutzen.

Jenseits solcher Skrupel lässt sich im Treptower Park gut laufen. Nur wenige Laufwege sind asphaltiert, der größte Teil des Bodens ist weich und das Wegenetz durch anarchische Trampelpfade sinnvoll erweitert worden. Neben dem Ehrenmal gibt es noch eine Sehenswürdigkeit: die als Standesamt genutzte Sternwarte. Die allerdings bekommt der Läufer nur dann von der schönen Seite zu sehen, wenn er sich durchgerungen hat, den Treptower Park zu verlassen, die Puschkinallee zu überqueren und im Plänterwald zu laufen.

Dort ist es auch schön, aber ganz anders. Der Läufer hat nämlich die Spree an seiner Seite. Auf leider zumeist asphaltiertem Weg lässt sich am Ufer laufen, auf der anderen Seite sieht man Oberschöneweide – einen Stadtteil, der ein gewichtiges Argument gegen den Spreebrückenbau darstellt –, und auf der hiesigen Seite sieht man den Spreepark, ein hübsches DDR-Phantasialand mit vielen rostigen Geräten. Der asphaltierte Weg ist größtenteils beleuchtet, was auch wegen der vielen Radfahrer, die in Berlin ja nicht unbedingt Lampen benutzen, einen Vorteil darstellt. Während man an der Spree langschnurrt, sieht man nicht nur Oberschöneweider Industriehallen, sondern auch allerlei kleine Inseln, die so hübsche Namen wie Bullenbruch tragen oder so fantasielose wie Liebesinsel.

Der Plänterwald beginnt bei der Insel der Jugend, vor der sich auch ein Parkplatz befindet. Wer lieber weniger Wasser sieht und weicheren Boden bevorzugt, unter Umständen gar ein Waldliebhaber ist, der kann von diesem Parkplatz an der Bulgarischen Straße gleich in den Wald hineinlaufen. Der Weg bekam irgendwann den schrecklichen Namen Poetensteig verpasst, ist aber dennoch schön. Wer nicht gerne den gleichen Weg zurückzuläuft, kann jederzeit einen der kleinen Wege ins Gestrüpp nutzen.

Der größte Nachteil von Treptower Park und Plänterwald, wenn man nicht gerade zu den wenigen Menschen gehört, die dort leben, ist das Hinkommen. Einzig die S-Bahnstation Treptower Park, wenige Buslinien oder eben das Auto ermöglichen die Anfahrt. Will man die Lauferei am Ende des Plänterwaldes beginnen, kann man auch an der S-Bahnstation Baumschulenweg aussteigen. Wer von Kreuzberg kommt, kann auch von der U-Bahnstation Schlesisches Tor losrennen oder am Landwehrkanal entlang in den Treptower Park gelangen. Das bedeutet gegenwärtig zwar ein wenig Kampf mit Baustellen, aber das ist ja so ganz Berlin-untypisch nicht.

Martin Krauß, 35, ist freier Sportjournalist und läuft am liebsten am Landwehrkanal