Hoch die internationale Arbeitsteilung

Die Zahl der am Wiederaufbau des Balkans beteiligten Organisationen ist kaum zu überblicken. Ob es zu einem Miteinander kommt oder jeder wie in Bosnien sein eigenes Süppchen kocht, ist noch offen  ■   Von Andreas Zumach

Während die viel opferreicheren Konflikte in verschiedenen Regionen des afrikanischen Kontinents kaum Aufmerksamkeit, geschweige denn aktives Engagement der „internationalen Gemeinschaft“ erzeugen, sind deren diverse Organisationen in Südosteuropa stark involviert. Im Rahmen von EU, UNO, OSZE, Nato, WEU, Weltbank und anderen Institutionen haben sich seit Beginn der jugoslawischen Zerfallskriege Mitte 1991 in erster Linie die Staaten Westeuropas und Nordamerikas in dieser Weltregion zunehmend engagiert. Je nach Interessenlage und Bedarf waren oder sind zeitweise auch Russland und andere osteuropäische Länder, die Türkei sowie islamische Staaten und deren internationale Organisation (OIC) beteiligt.

Seit 1991 fanden zahlreiche internationale Konferenzen statt und wurden (z.B. mit dem Büro des Hohen Repräsentanten in Sarajevo) eigens neue Einrichtungen und Mechanismen geschaffen zur Koordination und Finanzierung der zahlreichen Hilfs- und Wiederaufbaumaßnahmen sowie zur politischen Umsetzung von Verträgen wie dem Bosnien-Abkommen von Dayton. Dennoch war die Realität häufig bestimmt durch kostspieliges und ineffektives Nebeneinander, ja Gegeneinander der beteiligten Institutionen, Regierungen sowie nicht-staatlicher Organisationen (NGOs).

Bei der jüngsten, offiziell mit einem Mandat des UNO-Sicherheitsrats ausgestatteten Mission der internationalen Gemeinschaft in Südosteuropa, die nach Ende des Nato-Luftkriegs gegen Serbien Mitte Juni im Kosovo begann, sollen die Fehler und Reibereien der letzten Jahre möglichst vermieden werden. Dieser erklärte Anspruch steht zumindest hinter der zwischen den hauptbeteiligten Institutionen vereinbarten Arbeitsteilung.

Als „Ziviler UNO-Koordinator“ ist der ehemalige französische Gesundheitsminister und Mitbegründer der Organisation „Ärzte ohne Grenzen“ , Bernard Kouchner oberster Verantwortlicher für sämtliche nicht-militärische Maßnahmen im Kosovo. Sie sind in fünf Bereiche aufgeteilt: Das UNO-Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR) unter Leitung des Neuseeländers McNamara ist für die humanitäre Versorgung von Flüchtlingen und Vertriebenen und ihre Wiederansiedlung im Kosovo verantwortlich.

Der Niederländer Everts – bislang Chef der OSZE-Mission in Albanien – koordiniert nun als Chef der OSZE-Mission im Kosovo den (Wieder)aufbau einer demokratischen Zivilgesellschaft. Zur Aufgabe der OSZE gehört u.a. die Durchführung von Wahlen sowie die Beobachtung und Verbesserung der Menschenrechtssituation. Allein hierfür sollen 210 MitarbeiterInnen (darunter 140 internationale und 70 KosovarInnen) eingestellt werden. Verantwortlich für den Aufbau ziviler Verwaltungsstrukturen ist der erst vergangene Woche auf diesen Posten berufene bisherige Frankfurter Grünen-Politiker und Stadtkämmerer Koenigs. Zu seinen dringlichsten Aufgaben gehört der Aufbau eines Justizwesens. Der Brite Dixon leitet im Namen der EU die wirtschaftlichen Wiederaufbaumaßnahmen. Schließlich ist der US-Amerikaner Covey als direkter Stellvertreter Kouchners für „Sonderaufgaben“ zuständig.

Stukturell völlig unabhängig von dieser „UNO-Zivilstruktur“ ist die Mission der Nato-geführten Kosovo-Truppe (KFOR), deren bisheriger britischer Kommandeur Jackson im September von dem deutschen General Reinhardt abgelöst wird. KFOR war/ist zuständig für die Durchsetzung der Mitte Juni getroffenen Vereinbarung zwischen der Nato und dem militärischen Oberkommando Serbiens sowie für die Entwaffnung der UÇK.

In der Praxis haben KFOR-Soldaten in den letzten Wochen allerdings eine Reihe von Zivilaufgaben übernommen. Nicht weil „die UNO einmal wieder zu spät kommt“ oder „versagt“, wie in vielen Medienberichten der letzten Wochen kolportiert wird, sondern weil die Regierungen zahlreicher UNO-Staaten ihre ursprünglichen Zusagen zur Entsendung von RichterInnen, VerwaltungsbeamtInnen, Polizisten etc. bislang bei weitem nicht eingelöst haben.

Als UNO-Koordinator für das Kosovo ist Kouchner auch Mitglied der „Hochrangigen Lenkungsgruppe“ zur Koordation des Wiederaufbaus für die gesamte Balkanregion unter gemeinsamem Vorsitz von EU und Weltbank. Weitere Mitglieder sind die FinanzministerInnen der G-7-Staaten sowie der deutsche Sonderkoordinator für den „Stabilitätspakt für Südosteuropa“, Hombach, der diesen Posten wegen diverser Skandale möglicherweise schon bald verlassen muss.

Erklärtes Ziel des Stabilitätspakts ist die wirtschaftliche Stärkung, Stabilisierung und Integration der gesamten südosteuropäischen Region und ihre Heranführung an die EU, verbunden mit der bislang eher vagen Aussicht auf Vollmitgliedschaft einzelner Staaten. Höchstes Beschlussgremium ist der Rat der AußenministerInnen bzw. VertreterInnen der 30 Staaten und Organisationen, die den Pakt Ende Juli gegründet haben.

Unterhalb dieser Ebene existieren drei ständige thematische „Beratungstische“ für Demokratie und Menschenrechte, für wirtschaftliche Zusammenarbeit sowie für militärische Sicherheit. Dem „Tisch“ für wirtschaftliche Zusammenarbeit ist eine Arbeitsgruppe für den Wiederaufbau im Kosovo zugeordnet unter Leitung des Belgiers Franco. Dazwischengeschaltet ist die Wiederaufbauagentur der EU-Kommission für das Kosovo, deren 150 MitarbeiterInnen die diversen Programme der EU umsetzen sollen.