Das Portrait
: Der Bischof der Favelas

■ Dom Helder Camara

„Wenn ich den Armen zu essen gebe, werde ich ein 'Heiliger‘ genannt. Aber wenn ich frage, warum die Armen nichts zu essen haben, werde ich 'Kommunist‘ genannt“, soll Hélder CÛmara einmal gesagt haben. Der ehemalige brasilianische Erzbischof, der zu den Gründern der Befreiungstheologie gehörte, ist in der Nacht zu Samstag im brasilianischen Recife im Alter von 90 Jahren gestorben.

Der ehemalige brasilianische Erzbischof Hélder CÛmara ist in der Nacht zum Samstag gestorben Foto: Keystone

Hélder CÛmara hatte ein bewegtes Leben hinter sich. Als junger Priester sympathisierte er zwei Jahre lang mit den „Integralisten“, einer brasilianischen Variante des Faschismus. Doch in den Folgejahren wandte er sich zunehmend der Rolle der Kirche in der Gesellschaft zu. In den 50er Jahren gründete er die brasilianische Bischofskonferenz und entwickelte sch zunehmend zum Fürsprecher der Armen. Er wurde zum „Bischof der Favelas“.

Mit dem Übergang Brasiliens zu einer Militärdikatur wurde sein Wirken jedoch immer gefährlicher. Camara versuchte, die Menschenrechtsverletzungen der brasilianischen Militärs im Ausland anzuprangern. 1970 belegte ihn das Regime in Brasilia jdoch mit einem „Interviewverbot“.

Ein weiteres Hindernis für Hélder CÛmara war die Ernennung von Johannes Paul II. zum Papst, 1978. Von da an gestalteten sich die Beziehungen zum Vatikan zunehmend schwierig, da Johannes Paul II. sich für eine Rückbesinnung der Kirche auf ihre traditionellen Werte einsetzte und das soziale Schwergewicht, das die Befreiungstheologie in Lateinamerika setzte, missbilligte.

Freilich ging CÛmara nie so weit, die Kirchenhierarchie in Frage zu stellen, und als sich die Anhänger der Befreiungstheologie in den siebziger Jahren in einen pazifistischen und einen Flügel spaltete, der dem bewaffneten Kampf nicht grundsätzlich ablehnenend gegenüberstand, stellte sich CÛmara auf die Seite der Gegner der Gewalt.

Auch wenn die Aufbruchszeiten der Befreiungstheologie vorbei sind, hat Erzbischof CÛmara dennoch Spuren hinterlassen. Unter den brasilianischen Bischöfen ist der konservative Flügel noch immer in der Minderheit, und Bewegungen wie die „Bewegung der Landlosen“, die unter anderem von Personen wie CÛmara gegründet wurden, sind heute zu einer der wichtigsten politischen und sozialen Kräfte Brasiliens avanciert. Antje Bauer