■ Die US-Amerikaner schaffen Jobs im Rekordtempo
: Sie wissen nicht, warum sie's tun

In einem Monat sind in den USA 310.000 neue Arbeitsplätze entstanden – obwohl gleichzeitig auch die Löhne relativ gesehen doppelt so schnell steigen, wie die Zahl der Arbeitsplätze. Hintergrund: Die boomende US-Wirtschaft kriegt einfach nicht genug qualifizierte ArbeiterInnen. Also fällt auch die Ausrede von den Billigjobs weg, die angeblich vor allem entstehen beim Boom in den Staaten.

Von solchen Meldungen können die Europäer noch nicht einmal träumen. Nur: Kopieren kann den nun schon seit Jahren anhaltenden Aufschwung der Amis keiner. Denn die wissen selbst gar nicht genau, wieso sie gar so gut dastehen. US-Volkswirtschaftler begründen den Boom etwa mit weltweit fallenden Rohstoffpreisen, die die Inflation trotz steigender Löhne im Rahmen halten. Oder mit dem Wegfall der Realsozialisten als Systemkonkurrenz, der die Wirtschaft von den letzten Fesseln befreit habe. Dies jedoch trifft eigentlich für Europa und gerade für Deutschland viel stärker zu.

Die US-Wirtschaft reagiert auf Veränderungen der Weltwirtschaft immer schneller als alle anderen. So haben die Amis das Internet schon innig umarmt und ziehen daraus einen großen Teil ihres Wachstums. Aber die angeblich revolutionären Umwälzungen durch das weltweite Netz sind meist erst forsch prognostiziert, als aktuell ausschlaggebend. Viel wichtiger als alles andere dürfte ein Grund wiegen, den man hierzulande nicht mehr anführen darf, seit Oskar Lafontaine verschwunden ist: Die Amis sind die Weltmeister im Konsumieren, und das völlig ohne nachfrageorientierte Politik.

Während deutsche und japanische Volkswirte lamentieren ob der gebremsten Kauffreude ihrer Landsleute, scheren sich die US-Bürger einen Dreck um ihre Altersvorsorge. Sie sparen nichts. Aus ihrer Sicht können sie das auch, weil ihr Aktienbesitz so schnell steigt, dass es allemal noch reicht für die Rente.

Kann es immer so weitergehen? Natürlich nicht. Die Aktienwerte können nicht jedes Jahr um ein Drittel steigen, selbst in einer Rekordwirtschaft nicht. Irgendwann müssen auch die Amis mal richtiges Geld sparen und nicht nur überteuerte Aktien. Und in der Krise müssen dann viele den Gürtel wieder richtig eng schnallen, von wegen kein Sozialstaat und so. Aber die meisten in den USA leben eben nach der Devise „Schampus oder Selters“. Den Deutschen ist das zu arg. Sie bestellen lieber „immerzu Apfelschorle“. Reiner Metzger