Geschäft geglückt, Patient tot

■  Finanzmakler kaufen Todkranken ihre Lebensversicherung ab und verscherbeln sie an Kleinanleger: „Tödliche Rendite. Das Geschäft mit Aidskranken“ (21.45 Uhr, ARD)

Sie leiden an Aids, Alzheimer, Krebs oder einer dieser unschönen Lungenkrankheiten? Sie brauchen Geld? Wollen trotz geringer Lebenserwartung reisen, sich womöglich auch noch teure Medikamente leisten? Kein Problem. Alles, was Sie brauchen, ist eine Lebensversicherung.

„Tödliche Rendite“ verspricht der Titel der ARD-exclusiv-Reportage von Jochen Gräbert und Stephan Wels (Produktion: NDR), und man ahnt es bereits: Hier geht es um Geschäfte auf Leben und Tod. Und die gehen etwa so: Geschäftstüchtiger Mann kauft sterbenskranken Aidspatienten in den USA (warum gerade dort?) ihre Lebensversicherungen ab und verkauft diese wiederum an interessierte Dritte. Die Käufer verdienen umso mehr an ihrem Anlageobjekt, je früher es stirbt. Letztlich also ein ganz normales Warentermingeschäft – mit Renditen von bis zu dreißig Prozent.

Ulrich Schübel zum Beispiel ist so ein geschäftstüchtiger Mann. Der Finanzmakler im karierten Vertreterzwirn, der zumeist beim Autofahren auf Amerikas Highways oder beim Rechnen in seinem Heilbronner Büro zu beobachten ist, vermittelt diese Policen. Etwa die jenes wohl situierten aidskranken Anwalts aus Dallas, der laut Arztbericht nur noch wenige Monate zu leben hat. Eine Lebensversicherung über 500.000 Dollar hat er einst in besseren Tagen abgeschlossen – Geld, über das sich bald seine Erben freuen dürfen. Doch da sei Schübel vor!

Der vermittelte die Police an verschiedene Kunden in Deutschland. Beispielsweise an einen Kaufmann aus Leipzig. Dieser kaufte dem aidskranken Anwalt für 16.000 Mark das Anrecht auf einen Anteil von 20.000 Mark an dessen Versicherungssumme ab.

Je schneller der Anwalt stirbt, desto mehr Geld bekommt der Kaufmann ausgezahlt. Und damit das Geschäft auch reibungslos über die Bühne geht, hat der Käufer sein Anlageobjekt vorher eingehend geprüft – wie die Bilanz eines maroden Unternehmens. Helferzellen-Werte, Durchfall, Nasenbluten – alles Indizien dafür, wann die Summe fällig und wie günstig die Rendite ausfallen wird.

In schneller Folge werden Anleger und Anlageobjekt gegeneinander geschnitten. „Die Lebenserwartung des Herrn Pudenz war nicht sehr hoch. War das für Sie attraktiv?“, fragt eine Stimme aus dem Off. „Von den Renditegesichtpunkten – ja“, sagt der Kaufmann. „Hätten Sie gern, dass es ihm gut oder schlecht geht?“ „In der Beziehung kann ich nur sagen, ich hoffe, dass der Zeitraum bis zur Auszahlung der Police relativ kurz ist.“ Verständlich. Geschäft ist schließlich Geschäft.

Eine Szene, die deshalb so bedrückt, weil sie hübsch lapidar daher- und gänzlich ohne Kommentierung auskommt. Schade eigentlich, dass die beiden Reporter sich so gar nicht verkneifen können, darauf hinzuweisen, wie ekelerregend sie das Spekulantennest finden, in dem sie recherchieren. Da ist der Finanzmakler ein „Handlungsreisender in Sachen Tod“, ein „Opernfreund aus Schöneberg“ auf der ständigen Suche nach „todsicherem Profit“.

Und der hat durchaus unfreiwillig komische Aspekte. Denn, wie das nun einmal mit Aktien so ist, nichts ist sicher im Leben eines Anlegers. Das Warentermingeschäft hält sich einfach nicht an seine Termine, sprich: der Patient will nicht sterben. Im Gegenteil: Er leistet sich mit dem Geld des Anlegers auch noch teure Medikamente und bringt so seine Helferzellen auf Vordermann. Die Rendite kann man da vergessen.

Ein so spannendes wie makabres Thema, das Jochen Gräbert und Stephan Wels da im Milieu der kühlen Rechner aufgetan haben. Leider fehlte ihnen bei der Umsetzung die notwendige professionelle Distanz. Ein Reporter kann sich nicht darauf beschränken, seinen Gegenstand nur „pervers“ zu finden. Etwas weniger öffentlich-rechtliche Betroffenheit hätte hier nicht geschadet. Uta Andresen