„Vier Monate sind utopisch“

■  Franziska Eichstädt-Bohlig, baupolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, rechnet mit großen Zeitverzögerungen und enormen Kosten beim Bau des Großflughafens Berlin-Brandenburg

taz: Wer ist schuld am Absturz des Großflughafens Schönefeld?

Franziska Eichstädt-Bohlig: Die politische Verantwortung tragen Ministerpräsident Manfred Stolpe und der Regierende Bürgermeister von Berlin, Eberhard Diepgen. Aber auch der Bund hat seine Verpflichtungen nicht wahrgenommen.

Das Gericht hat das Vergabeverfahren unter anderem für ungültig erklärt, weil die Finanzsenatorin Fugmann-Heesing an den Entscheidungen der Auftraggeberseite beteiligt war und gleichzeitig im Aufsichtsrat des Konsortiums Hochtief saß.

Die Finanzsenatorin ist sehr naiv vorgegangen. Es wäre nötig gewesen, schon im Ausschreibungsverfahren genau darauf zu achten, dass nur Persönlichkeiten an dem Verfahren beteiligt sind, die in keinem der Aufsichtsräte der Bieterunternehmen involviert sind. Diepgen, Stolpe und die Bundesregierung hätten mit Eröffnung des Vergabeverfahrens andere Vertreter benennen müssen.

Das Problem ist aber nicht die Ämterhäufung an sich. Es ist klar, dass Politiker der Exekutive in Aufsichtsräte von Gesellschaften gehören. Die Forderung, die öffentliche Hand müsse sich aus allen Aufsichtsratsverpflichtungen zurückziehen, schießt über das Ziel hinaus.

Was bedeutet die Entscheidung für das Land Berlin?

Der politische Schaden für Berlin liegt auf der Hand. Ich würde aber nicht so weit gehen, Rücktritte zu fordern und Köpfe rollen zu lassen. Der Bau des Großflughafens Schönefeld ist ein derart schwieriges und einmaliges Projekt, dass man in diesem Fall nicht mit solchen Routineforderungen aufwarten sollte. Das politische Lehrgeld heißt: Die Privatisierung von zentralen öffentlichen Aufgaben muss sehr viel sorgfältiger angegangen werden.

Welche Konsequenzen hat das Urteil des Oberverwaltungsgerichtes?

Es wird zu großen Verzögerungen beim Bau des Flughafens kommen. Zeitangaben von vier Monaten sind da utopisch. Ein anderes großes Problem sind auch die Vorwürfe gegen die Beratergesellschaft WIB, die juristisch noch überhaupt nicht vom Tisch sind. Außerdem sehe ich sehr große finanzielle Schwierigkeiten auf die drei Gesellschafter Berlin, Brandenburg und den Bund zukommen. Schon jetzt hat die Flughafen-Holding Berlin-Brandenburg ernorme Defizite: Allein im letzten Jahr handelte es sich dabei um eine Summe von 100 Millionen. Es steht zu befürchten, dass die BBF-Holding die Zinsen für die Immobiliengeschäfte, die sie vor einigen Jahren getätigt hat, nicht mehr bezahlen kann.

Wie hoch ist der entstandene Schaden zu beziffern?

Ich gehe davon aus, dass die Gesellschafter allein in diesem Jahr mindestens 50 Millionen Mark zuschießen müssen, um die BBF überhaupt über Wasser zu halten.

Welche Chancen bestehen für die Verlängerung des Verkehrswege-Bescheunigungsgesetzes im Bundestag, das die zukünftige Planung des Flughafens wesentlich erleichtern würde?

Wenn der Gesetzesantrag jetzt eingebracht wird, rechne ich damit, dass sich SPD und CDU mit der Verlängerung durchsetzen werden.Wir als Grüne lehnen dieses Gesetz eigentlich ab. Ohnehin ist die Einhaltung der Fristen für das Planfeststellungsverfahren derzeit nicht das Problem. Das können die Gesellschafter ganz regulär einleiten, unabhängig von der Privatisierung.

Brandenburgs Finanzministerin Wilma Simon schließt die Planung und den Betrieb des Flughafens durch die öffentliche Hand nicht mehr aus.

Wer die Haushaltslage aller Beteiligten kennt, der weiß, dass ein solcher Vorschlag nicht zu finanzieren ist. Es wird schwierig genug, die jetzt notwendig gewordenen Gelder bereitzustellen. Einen öffentlichen Betrieb des Flughafens halte ich für illusorisch. Interview: Andreas Spannbauer