Geballte Gewinnerwartungen

■  Ballungsraum-TV, bisher zersplittert und wenig lukrativ, soll endlich Profit abwerfen. Um die gemeinsame Vermarktung konkurrieren Werbetöchter von Sat.1 und die ARD

Früher war Ballungsraum- und Lokalfernsehen eine Spielwiese für Abenteurer: Gemeinsam mit Brauereien oder Sparkassen, seltener auch mit amerikanischen Medienkonzernen, konnten die Pioniere unbeachtet von der Öffentlichkeit Fernsehen üben und dabei Verluste in dreistelliger Millionenhöhe einfahren. Doch diese Zeiten sind vorbei. Das ausschließlich privat betriebene Lokal-TV entwickelt sich mehr und mehr zu einem ernstzunehmenden Geschäftsfeld. Bald sollen in der risikoreichen Branche auch Gewinne fließen. Die Losung heißt: gemeinsame Vermarktung.

Zur Zeit wird regional ausgerichtetes Fernsehen lediglich in sieben von zwölf Ballungsräumen in Deutschland angeboten – in Hessen und Nordrhein-Westfalen wacht die Landespolitik noch darüber, daß die Lokal-Glotze nicht überall Einzug hält. Einen ersten Schritt zum gemeinsamen Reibach haben rund 40 Anbieter von lokalem und regionalem Fernsehen bereits gemacht. Ende vergangenen Jahres taten sie sich in Berlin auf Initiative von Ingo Borsum von „Hamburg 1“ zu der Arbeitsgemeinschaft „TV Deutschland“ zusammen.

Ziel des Netzwerkes ist es, Programme auszutauschen, Kooproduktionen anzubieten und eine gemeinsame nationale Werbung auf die Beine zu stellen. Während der Austausch von Sendungen schon leidlich läuft, klemmt es noch an der Vermarktung. Nahezu alle der kleinenSender haben zu wenige Zuschauer und wegen der geringen Werbeeinnahmen hohe Verluste zu tragen.

Zwei mögliche Partner für die Gesamtvermarktung sind im Gespräch: die ARD-Werbetochter „Sailes & Services“ (AS & S), die bereits die Ballungsraumsender Hamburg 1 sowie B.TV Baden und B.TV Württemberg unter Vertrag hat. Oder Media 1, eine eben erst gegründete Werbetochter von Sat.1. Beide Anbieter legten vor kurzem „Deutschland TV“ ein Konzept vor, über das der Arbeitskreis nun schon seit längerem berät. Eine Entscheidung sollte eigentlich bis Mitte August zur Telemesse in Düsseldorf fallen, wurde aber wieder verschoben, weil sich das Gremium bisher noch nicht für einen Partner entscheiden konnte. Neuer Termin soll Ende August sein; spätestens zum Herbst will man die Geschichte über die Bühne gebracht haben.

Kommt eine Einigung zustande, stehen die Marktchancen nach Einschätzung der beiden potentiellen Vermarkter gut. Die bisher mit der ARD kooperierenden Kanäle in Hamburg und Baden-Württemberg sind trotz nur geringer Preisnachlässe jedenfalls voll von nationaler Werbung – von Persil bis Tchibo. Eine deutschlandweite TV-Werbung mit einer Gesamtreichweite von rund 18 Millionen Zuschauern verkauft sich eben leichter als eine, die sich nur auf Städte konzentriert.

Dabei sind die Ballungsräume für die Werbewirtschaft als Regionen mit überdurchschnittlicher Kaufkraft interessant und eigneten sich somit gut als Testmarkt für neue Kampagnen und Produkte.

Anders als bei früheren Anläufen stehen nun offenbar die Zeichen günstig für ein gemeinsames Vorgehen, zumal seit März auch die beiden Kirch-Sender TV München und TV Berlin mit im Boot sind. Thomas Kirch, Sohn des fränkischen Medienmoguls Leo Kirch, hält 40 Prozent an TV München; der Berliner Sender, der am 1. September 1997 aus der Konkursmasse von „puls TV“ hervorging, gehört ihm ganz.

Bislang wollte Kirch jr. lieber die Werbezeit seiner Sender mit der hauseigenen Vermarktungsgesellschaft allein anbieten. Doch nun zeigt er mit einem Mal großes Interesse, gemeinsame Sache mit den kleinen Privaten zu machen.

Das hat Gründe: Kirch könnte bei „Deutschland TV“ über deren Berliner Medientochter „Media 1“ mit Sat.1 kooperieren, wo sein Vater zusammen mit Springer die Mehrheitsanteile hält. Die Sache hat im Hause Sat.1 offenbar höchste Priorität: es wurden hausintern gleich zwei Arbeitsgruppen gegründet, die eingehend die Chancen ausloten sollen. Gerüchten zufolge geht es neben der Werbung auch darum, ein Mantelprogramm made by Sat.1 mitzuverkaufen.

Die Lokalsender würden so vereinheitlicht und geprägt von dem Kirch/Springer-Sender. Zudem hätte Sat.1-Programmchef Fred Kogel vielfältige Möglichkeiten zum Abspielen alter und zum Testen neuer Programmformate. Filme aus dem riesigen Kirch-Archiv dürften dann auch ins Lokalfernsehen wandern.

Die ARD dagegen sitzt in der Zwickmühle. Einerseits würde man die lukrative Werbeehe natürlich sehr gerne eingehen. Andererseits hat man erkannt, daß eine wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen öffentlich-rechtlicher Anstalt und Kirch-Gruppe wohl auch „medienpolitisch schwierig“ würde – von weitergehenden Kooperationen ganz zu schweigen. Durch die guten Erfahrungen mit den Ballungsraumsendern Hamburg 1, B.TV Baden und B.TV Württemberg sehe man „relativ gute Chancen“, zum Zuge zu kommen, glaubt indes AS & S-Sprecherin Lucia Alberts.

Auf der anderen Seite arbeitet Christian Böhmer, Geschäftsführer von TV München und TV Berlin, eifrig daran, die noch zögerlichen Aspiranten in die Allianz mit Sat.1 zu ziehen: „Als Private müssen wir erkennen, wer unsere Partner sind“. Wolfgang Messner