Das Portrait
: Staatsfeind und Messias

■ Li Hongzhi

Der Mann sieht auf den von seinen Anhängern verbreiteten Fotos aus wie ein junger chinesischer Bankangestellter, der niemandem etwas antun könnte. Doch er hat sich in den letzten Monaten zur größten Bedrohung für Chinas kommunistische Führung entwickelt. Zumindest sieht die Regierung das so, die am vergangenen Donnerstag die vom 48jährigen Li Hongzhi gegründete taoistisch-buddhistische Heilsbewegung Falun Gong verbot. Tausende Anhänger wurden interniert. Die Regierung nennt Li eine „böse Person, die durch Betrug die soziale Ordnung gefährdet“.

Der ehemalige kleine Beamte aus der Provinz Jilin hatte bereits 1996 die Volksrepublik verlassen, nachdem eines seiner Bücher von den Behörden verboten worden war. Seitdem lebt Li in New York. Doch die von ihm 1992 begründete Bewegung expandierte schnell. In China will sie heute 80 Millionen Anhänger haben, weltweit weitere 20 Millionen. Seine Anhänger erreicht Meister Li jetzt über das Internet. Lis Anhänger behaupten, Chinas Regierung habe die USA um dessen Auslieferung ersucht und dafür eine Verringerung des Handelsbilanzüberschusses angeboten. Sie verbreiten auch gern, daß er 1996 zum Ehrenbürger der texanischen Stadt Houston ernannt worden sei. Der Tag seiner ersten Rede dort soll sogar offiziell als „Li-Hongzhi-Tag“ gelten. Für Chinesen zählt Anerkennung aus Amerika doppelt und macht gegen heimische Kritik gefeit.

Chinesische Soziologen bezeichnen Lis Lehre als buddhistisch-taoistischen Fundamentalismus. Sie besteht aus einer Mischung quasireligiöser meditativer Übungen, die sich an die Atemtechnik Qi Gong anlehnen, und moralischen Lehren, die Wahrhaftigkeit, Barmherzigkeit und Nachsicht predigen. Dadurch sollen Körper und Geist gesunden und herkömmliche Medizin überflüssig werden. Seine Anhänger berichten von zahlreichen Wunderheilungen. In den Übungen pflanzt Li seinen Anhängern ein Dharma-Rad in den Bauch, das ihnen angeblich kosmische Enegie verleiht. Anhänger in westlichen Ländern, darunter etwa tausend Deutsche, loben die entspannende Wirkung.

Li sieht sich selbst als unpolitischen Messias, der den Menschen einfach zu mehr Wohlbefinden verhelfen will. Chinas Regierung fordert er zum Dialog auf. Zum Verbot seiner Bewegung sagt er: „Die Regierung kann die Leute unterdrücken, aber nicht ihre Herzen ändern.“ Sven Hansen