Warum Kobi Refuah nie zum Beckenbauer wird

■ Weil er schon nach zwölf Monaten statt drei Jahren Wehrdienst aus der Armee entlassen wurde, darf ein talentierter Stürmer nicht in der israelischen Fußball-Nationalmannschaft mitspielen

Berlin (taz) – Kobi Refuah wird nie Franz Beckenbauer. Zwar ist Kobi Refuah Profifußballer, zwar kickt er bei einem Erstligisten seines Heimatlandes, dem israelischen Club Bnei Yehuda, und zwar gilt der Stürmer Kobi Refuah als sehr talentiert, wie ja auch der Abwehrspieler Franz Beckenbauer in den sechziger Jahren zu Recht als Talent galt. In puncto Wehrdienst hat sich Refuah auch nicht wesentlich uncleverer angestellt als der spätere Kaiser. Der Deutsche mußte nicht zur Bundeswehr, weil er untauglich war. Der Israeli hingegen wurde zur Armee eingezogen – in Israel müssen junge Männer drei Jahre Dienst ableisten –, aber nach zwölf Monaten äußerte Refuah den Wunsch, in der Nähe von Tel Aviv eingesetzt zu werden.

Das paßte nicht zu den Erfordernissen der Armee, und somit wurde Refuah einfach aus dem Militär entlassen. Der ungediente Beckenbauer schaffte im Laufe seiner Karriere über hundert Länderspiele, der halbgediente Refuah erhielt neulich vom israelischen Nationaltrainer Shlomo Sharf seine erste Berufung.

Doch an diesem Punkt, an dem große Karrieren beginnen könnten, die Berufung eines Talents in die nationale Auswahl nämlich, zeigt sich der Unterschied zwischen Beckenbauer und Refuah. Die Regeln des israelischen Fußballverbandes schreiben nämlich vor, daß nur solche Kicker Nationalspieler werden dürfen, die ihren Wehrdienst vollständig abgeleistet haben.

Weil der israelische Fußballverband diese denkwürdige Bestimmung hat, wurde Nationaltrainer Sharf von seinen Funktionären aufgefordert, den armen Refuah wieder aus dem Aufgebot für die anstehenden Spiele zur Qualifikation für die Europameisterschaft 2000 zu streichen. Von Sharf ist bislang keine Reaktion bekannt, aber ein so wichtiger Spieler, daß es der Nationaltrainer auf eine Kraftprobe ankommen lassen könnte, ist der junge Mann nicht.

Refuah selbst ist sauer. „Ich habe doch über ein Jahr gedient“, schimpft der Spieler gegenüber der Tageszeitung Ha'aretz, „aber die wollten mich auf einmal zu einer bewaffneten Einheit schicken, wo ich keine Chance mehr gehabt hätte, für meinen damaligen Club Maccabi Tel Aviv zu spielen.“

Lieber Sport treiben statt schießen lernen – das etwa wird wohl auch das Argument des Franz Bekkenbauer gewesen sein, um die Untauglichkeit zu erreichen, oder des Boris Becker, der statt Wehrpflicht zu leisten lieber nach Monakko zog, oder des Michael Schumacher, der auch nicht gedient hat.

Israelische Beckenbauers, Bekkers oder Schumachers wird es wohl nie geben. Aber Kobi Refuah hat in Israel einen anderen Vorgänger. Noam Shoham wurde Anfang der neunziger Jahre in das Aufgebot berufen und absolvierte tatsächlich ein Länderspiel. Doch dann stellte sich heraus, daß auch er seinen Wehrdienst nicht in voller Länge absolviert hatte. Shoham wurde wieder aus dem Kader genommen.

Ganz hoffnungslos ist die Situation von Kobi Refuah aber nicht. In Deutschland findet sich nämlich ein Vorgänger für ihn. Der Zeitsoldat und Radsportler Rudolf Scharping wurde nach wenigen Monaten wegen Untauglichkeit aus der Bundeswehr entlassen. Und heute gehört ihm der Laden.

Martin Krauß