Guck, ein Wal!

■ Von Walen und Einbauküchen und kalkuliertem Abenteuer in Neuseeland

Walegucken in Neuseeland ist wie eine Einbauküche kaufen gehen. Irgendwie etabliert. Bequemes Massenvergnügen. „Das haben wir hinter uns“, bekommt man im Backpackers zu hören, wenn man stolz zwischen Rucksack und Stockbetten den weltreisenden Mitbewohnern erklärt, was man am nächsten Tag vorhat.

Haben wir hinter uns – nun gut, wir jedenfalls nicht und machen uns auf den Weg nach Kaikoura, auf der Südhalbinsel an der Ostküste gelegen. Das Fischerdorf, wo der maorischen Sage nach der Gott Maui die Nordinsel aus dem Meer gefischt haben soll, strahlt den Charme eines Nordseekurortes aus: Bed & Breakfast allerorten, dazu großflächige Supermärkte und stolze vier Backpackers auf 3.500 Einwohner. Kaikoura verdankt seinen Wohlstand einem Riff am Südende des Dorfes, auf dem sich Seelöwen sonnen, und der tiefen See, wo sich Wale tummeln. „Ich möchte Wale sehen“, ist denn auch der gängige Wunsch in der örtlichen Tourismuszentrale, dem mit einer Selbstverständlichkeit begegnet wird, als handele es sich um ein Bekleidungsstück – nur noch die Konfektionsgröße gilt es zu klären. „Gern, möchten Sie lieber am Morgen fahren oder nachmittags?“

Alsdann macht man sich auf den Weg zur „Whale Watching Station“. Früher, noch vor drei Jahren, heißt es, führte eine Schotterpiste zur Whale Watching Station. Davon ist nichts mehr zu sehen, der üppige Asphalt dampft in der Sonne, und die einstige Holzhütte, von der aus die Boote gen Walbucht starteten, ist einer Arbeitsamtarchitektur der neunziger Jahre gewichen: Reichlich Glas, Beton, mintfarbener Kunststoff – bitte ziehen Sie eine Nummer. Drinnen Sphärenklänge und Walvideos. Dann die dezente Aufforderung, 95 Neuseelanddollar (gleich 95 Mark) auf den Glastresen zu legen, und die Frage, ob man denn ein Akkupressurarmband gegen Seekrankheit möchte. Man möchte.

Die See ist ruhig, aber draußen, so sagt die Kartenverkäuferin mit dem Whale-Watch-Polohemd, nur drei Meilen vor der Küste, sei selbst bei Windstille ein Wellenhub von vier, fünf Metern normal.

Salz auf den Lippen, die Füße gegen die hölzerne Bordwand gestemmt, die Rettungsweste scheuert. Der Expeditionsleiter, selbstredend Biologe und Sproß einer einheimischen Fischerfamilie, brüllt warnend in den Wind: Festhalten! Wal, Steuerbord voraus! Wale beobachten – eines der letzten Abenteuer dieser Erde. So soll es sein.

Meiner Nachbarin ist schlecht. Trotz Akkupressurarmband. Die 30 Mitreisenden blicken demonstrativ aus dem Panoramafenster des High-Tech-Katamarans. Man hat es schließlich nicht leicht. Der maorische Stewart reicht der Frau dezent die zweite Kotztüte.

Dann taucht er auf. Die Haut schwarz glänzend, von tiefen Furchen durchzogen, eine lange Fontäne in die Luft spritzend. Ein Rücken so lang wie ein Lastwagen. Er schaukelt etwa zehn Minuten auf den Wellen, dann taucht er ab, nicht ohne seine Fluke elegant in die Höhe zu stellen. „How graceful“, flüstert meine Nachbarin, für einen kurzen Moment ablassend von ihrer Beschäftigung.

Wie anmutig.

Nach einer Minute Stille an Bord besinnt der Tourist sich wieder seiner Bestimmung. Auslöser klicken, Kinder quengeln, wollen auch mal an die Reling, meiner Nachbarin ist schlecht, und der Schweizer Tourist macht eine Eintragung in sein Reisebuch. Nach dem fünften Pottwal und unzähligen Schwanzflossensuchfotos für die Lieben daheim haben wir es hinter uns.

Einbauküchen sind spießig, zweifelsohne, haben aber auch etwas sehr Demokratisches.

Uta Andresen ‚/B‘ Whale Watching Tours dauern etwa drei bis vier Stunden. Kosten: Erwachsene 95 NZ Dollar (95 DM) Kontakt: Kaikoura Information Centre: Tel. 00 64-3-3 19-56 41, Fax: 00 64-3-3 19-53 08