Ibrahim Rugova zurück in Pristina

■  Der gewählte Präsident der Kosovo-Albaner ist aus dem Exil zurückgekehrt. Von Bedeutung ist das nur beschränkt, denn vorerst bestimmen UNO und KFOR im Kosovo

Für Priština war es eine Premiere. Zum ersten Mal zeigte sich Ibrahim Rugova der Öffentlichkeit ohne sein Markenzeichen, den gepunkteten Seidenschal. Nur etwa 2.000 Menschen hatten sich gestern nachmittag vor dem Hauptquartier der Vereinten Nationen eingefunden, um den zurückgekehrten Präsidenten des Kosovo zu empfangen.

Mag sein, daß die Nachricht von seiner Ankunft nicht rechtzeitig publik wurde, mag sein, daß er an Popularität doch wesentlich verloren hat, seit er sich zu Beginn des Krieges händeschüttelnd mit Miloševic vor den Kameras präsentiert hat. Rugova zeigte sich den Anwesenden, die ihn hochleben ließen, nur kurz, schwenkte einen Blumenstrauß und verschwand im UN-Gebäude.

Viele Albaner hier verstehen nicht, weshalb ihr Präsident erst jetzt zurückgekehrt ist, während die KFOR-Truppe, die UÇK-Guerilla und auch die Partei des Präsidenten schon längst ihre Quartiere bezogen haben. Gerüchte wollen wissen, daß UÇK-Chef Hashim Thaci, der sich vor geraumer Zeit zum Ministerpräsidenten ernannt hat, Rugova ein Ultimatum gestellt hatte, bis zum letzten Wochenende zurückzukehren, andernfalls sollte eine Regierung ohne seine Mitsprache bestellt werden. Um das Gesicht zu wahren, habe Rugova das Ultimatum verstreichen lassen und sei deshalb erst jetzt wieder im Kosovo.

Neben Thaci gibt es im Kosovo noch einen zweiten Ministerpräsidenten: den von Rugova nominierten Bujar Bukoshi, der jahrelang im deutschen Exil gelebt hat, kurz nach dem Einmarsch der KFOR-Truppe aber in seine Heimat zurückgekehrt ist. Wie Rugova, der 1992 von den Kosovo-Albanern in Wahlen, die von Belgrad nicht anerkannt werden, gewählt worden war, gehört er der LDK an, der Partei, deren absolutes Monopol in der albanischen Gesellschaft erst durch den bewaffneten Kampf der UÇK aufgebrochen wurde. Thaci hat zwar der LDK einige Ministerposten reserviert, doch weigert sich die Partei Rugovas, diese einzunehmen und damit Thaci als Ministerpräsidenten zu legitimieren. So kommt es, daß das Kosovo nun zum Beispiel einen Vizeaußenminister, Hidayet Hyseni, hat – einen ehemaligen Mitstreiter Rugovas, der mit ihm aber vor Jahren gebrochen hat –, aber keinen Außenminister, weil dieses Amt für die LDK freigehalten wird.

Von Bedeutung ist dies allerdings nur beschränkt. Zur Zeit geht alle Macht von den Gewehren der KFOR-Truppe aus, bald aber schon dürfte die UNMIK, die UN-Mission fürs Kosovo, an Gewicht gewinnen. KFOR und UNMIK anerkennen weder Rugova als Präsidenten noch Thaci oder Bukoshi als Ministerpräsidenten.

Ebenfalls gestern sollte der Franzose Bernard Kouchner in Priština eintreffen. Er wird der künftige UN-Administrator sein und den Brasilianer Sergio Viera de Melho, der das Amt provisorisch verwaltet hat, ablösen. Kouchner, der das faktische Protektorat regieren wird, will schon heute einen „Übergangsrat für das Kosovo“ vorstellen, dem vermutlich Albaner wie Serben und auch Vertreter anderer Minderheiten angehören werden.

Nachdem die militärische Implementierung des Agreements mit den Machthabern in Belgrad – der Einzug der KFOR-Truppe und der Rückzug der serbischen Verbände – zügig und problemlos vonstatten ging, steht die eigentliche Herkulesaufgabe erst bevor: der Aufbau einer zivilen Verwaltung und staatlicher Strukturen. Ein erster Versuch ist bereits gescheitert. In Priština wurden 400 Personen bestimmt, die am vergangenen Montag beginnen sollten, beim Aufbau einer neuen Verwaltung mitzuwirken. Von den 60 Serben kamen am Dienstag nur acht zur Arbeit, die anderen sollen von Albanern eingeschüchtert worden sein. Danach wurde das Projekt erstmal abgeblasen.

Das größte Problem ist zur Zeit die persönliche Sicherheit – jedenfalls für die Angehörigen der Minderheiten: der Serben, der Goraner (eine serbischsprachige muslimische Bevölkerung im Süden der Provinz) und vor allem der Roma, deren Häuser von Albanern systematisch angezündet werden. Die 32.000 KFOR-Soldaten im Land können dies bislang nicht verhindern. Es gibt keine Polizei, die einschreitet, und keine Gerichte, die Delikte und Verbrechen ahnden. Jeder einzelne Tag ist jetzt kostbar, weil jeden Tag weitere Häuser in Flammen aufgehen, was das Zusammenleben der Rückehrer und der Zurückgebliebenen erschwert.

Nun sollen in den nächsten Wochen zusätzlich 3.000 internationale Polizisten in die Provinz gebracht werden, die Vandalismus und Terror unterbinden und zudem auch eine einheimische Polizei aufbauen sollen. Die Sicherheitslage wird beim ersten Treffen des „Übergangsrats fürs Kosovo“ ganz oben auf der Tagesordnung stehen.

Thomas Schmid, Priština