„Warum haben Sie ihm das Geld geklaut?“

■ Vor 70 Jahren erschien „Emil und die Detektive“: Eine Schülerzeitung feiert die Helden

Alle anderen sind im Vergleich zu dieser Zeitung gleich: 1.454 Redakteure – und niemand älter als 12 Jahre. Zu Ehren des Schriftstellers Erich Kästner und seines vor 70 Jahren erschienenen Buchs „Emil und die Detektive“ verfaßten Viert- und Fünftkläßler von 70 Berliner Schulen eine ganze Zeitung.

Das 24 Seiten starke Blatt mit dem Titel „Parole Emil!“ wurde am Dienstag im „Zoo Palast“ präsentiert. Angestiftet hat das literarische Großprojekt das Berliner Zentrum für Kinder- und Jugendliteratur „LesArt“. Zu Jubiläen wichtiger Buchtitel mit Schauplatz Berlin veranstaltet „LesArt“ besondere Aktionen: 1997 ließ es Schüler eine Ausstellung zu Lisa Tetzners „Die Kinder aus Nr. 67“ gestalten; letztes Jahr bot es „literarische Spaziergänge“ zu Orten der Revolution von 1848.

Für das Emil-Projekt stellte jede der Schulklassen eine eigene Zeitung zusammen: recherchierte, schrieb Porträts, machte Fotos und Umfragen, bastelte Kreuzworträtsel. Aus diesen 70 Blättern wurde dann je ein Beitrag für die gemeinsame Zeitung ausgewählt.

„Parole Emil!“ stellt nun die Akteure von Kästners Buch vor: den zehnjährigen Emil Tischbein, der aus Neustadt nach Berlin fährt, ebenso wie den Herrn Kießling, der „geldsüchtig und mit allen Wassern gewaschen“ im Zug Emils 140 Mark klaut. Bloß gut, daß es Emil und seinen Freunden gelingt, den gemeinen Dieb in einer Bank zu überführen!

Der Räuber wird in Leserbriefen der Schüler an Figuren des Romans verurteilt: „Warum haben Sie Emil das Geld geklaut? Das fand ich doof.“ Obwohl andererseits: „Ohne Sie wäre Emil ganz normal nach Berlin gefahren, hätte dort wohl auch Freunde gefunden, wäre durch die Gegend gestrolcht, und mehr nicht! Vielleicht ist es ja doch gut, dass Sie in dem Buch mitspielen. Sie müssen auch einmal gelobt werden.“ Der 5 c der Zacharias-Grundschule ist es gelungen, ein Geständnis Kießlings einzuholen: „Dadurch, daß die Kinder mich bei der Straftat gestellt haben und die Beweislast erdrückend ist, muß ich den Diebstahl gestehen.“ Die 4 a der Erich-Kästner-Grundschule analysiert dagegen messerscharf: „Teamarbeit führt zum Erfolg: Die Ergreifung des Diebs wäre ohne die Mithilfe der Jungen vom Nikolsburger Platz nicht denkbar gewesen. Sehr selbstbewußt sind diese Jungen und wenn sie miteinander reden, haben einige ein ganz schön vorlautes Mundwerk. Mutig sind sie auch, sie sind einfach richtige Berliner Jungens.“ Andere Schulklassen ließen sich von Kästners Buch zu Artikeln über das moderne Berlin inspirieren, beispielsweise über „Taschendiebstahl heute“ oder „Rad fahren in der Großstadt“. Zur Belohnung für ihre Arbeit wurde den jungen Autoren im „Zoo Palast“ die Neuverfilmung von „Pünktchen und Anton“ gezeigt. Danach bekamen sie jeweils fünf Belegexemplare ihrer Zeitung.

Die Auflage von 12.000 Stück wird rasch vergriffen sein. Nur Leser mit guten Beziehungen zu spendablen Grundschülern haben Chancen.

Martin Ebner ‚/B‘ LesArt, Weinmeisterstraße 5, 10178 Berlin