Schweigeminute für einen rumänischen Patrioten

■ Die Revision des Urteils gegen einen Ex-Securitate-General mobilisiert die Anhänger von Marschall Antonescu. Sie fordern die Rehabilitierung des faschistischen Diktators

Berlin (taz) – „Wenn die Pforten der Rehabilitierung für hinterhältige Verräter geöffnet werden, müßten sie auch den Helden des Volkes offen stehen, für den Marschall (Antonescu), der von den Kommunisten und Juden beleidigt, gefoltert und erschossen wurde.“ Diese Forderung erhob unlängst die faschistische Großrumänien-Partei in ihrem Blatt Politica, nachdem Anfang Juni der umstrittene Securitate-General und Ex-Chef des Auslandsnachrichtendienstes, Ion Mihai Pacepa, in einem fragwürdigen Verfahren rehabilitiert worden war.

Die Aufhebung des 1978 in einem Geheimprozeß verhängten Todesurteils gegen den Securitate-General ist ein Präzedenzfall. Pacepa war eine Schlüsselfigur des rumänischen Geheimdienstes Securitate. Er hatte sich in die Bundesrepublik Deutschland abgesetzt und erhielt danach politisches Asyl in den USA. An der Frage, ob er durch seine den amerikanischen Behörden gemachten Enthüllungen nur der Securitate oder Rumänien schlechthin geschadet hat, scheiden sich die Geister. Tatsache ist, daß Pacepa in mehreren Büchern nicht nur seine eigene Rolle innerhalb des repressiven Securitate-Apparates mystifiziert, sondern auch Fakten verfälscht und Ereignisse erfindet.

Durch die Aufhebung der Verurteilung Pacepas fühlen sich nun auch Anhänger des früheren militärfaschistischen Diktators Ion Antonescu bestärkt, eine Rehabilitierung ihres zum „nationalen Helden“ erhobenen politischen Idols zu fordern. Das ist nicht neu. Gleich nach der Wende verlangten nationalistische Politiker aller Parteien eine Revision des Urteils gegen Antonescu. In einem Kriegsverbrecherprozeß waren er und mehrere Mitglieder seiner Regierung zum Tode verurteilt und im Juni 1946 hingerichtet worden.

Antonescu, der von 1941 bis 1944 regierte, hatte sich mit Hitlerdeutschland am Überfall auf die Sowjetunion beteiligt. Auf seinen Befehl hin wurden Hunderttausende rumänische Juden und Roma nach Transnistrien deportiert. In dem von den rumänischen Behörden verwalteten Transnistrien starben in KZ-ähnlichen Einrichtungen mehr als 100.000 Juden. Das Antonescu-Regime ist, laut Jean Ancel, für den Tod von mindestens 410.000 Juden verantwortlich.

Anläßlich des 53. Jahrestags seit der Hinrichtung Antonescus hielt ein Abgeordneter der Groß-rumänien-Partei im Abgeordnetenhaus eine Rede, in der die Rehabilitierung Antonescus gefordert wurde. In einem Rundumschlag kritisierte der Parlamentarier die rumänischen Nachwenderegierungen als Lakaien der „westlichen Juden“, „die die Welt beherrschen“ und „eine Rehabilitierung des Marschalls verhindern“. In einer Würdigung des faschistischen Staatsführers hob der Abgeordnete die Verdienste Antonescus als „Retter der Nation“ im Kampf gegen den Kommunismus und ungarischen Revisionismus hervor.

Schützenhilfe leistete auch Ioan Moisin, Abgeordneter aus dem Lager der regierenden Christdemokratischen Nationalen Bauernpartei (PNTCD). Moisin forderte im Senat nicht nur eindringlich die Rehabilitierung des „kompromißlosen antikommunistischen Kämpfers“ und „großen rumänischen Patrioten“ Antonescu, sondern auch die Stiftung eines Ordens „Marschall Antonescu“. Der Orden soll jenen verliehen werden, die Verdienste im Kampf für „die Rechte der Rumänen in den historischen Gebieten“ und im Kampf gegen den „ungarischen Revisionismus“ erworben haben.

In seinen historischen Argumentationspirouetten erinnerte der Senator an die Niederschlagung der ungarischen Räterepublik. Antonescu war 1919 in Budapest einmarschiert und hatte „den Ungarn gezeigt, was sie erwartet, wenn es ihnen danach gelüstet, Siebenbürgen zu bedrohen“. Auch behauptete er, der Marschall habe Zehntausenden Juden das Leben gerettet.

Bedenken gegen Moisins Ausführungen äußerte bloß ein Vertreter der in die Bukarester Regenbogenkoalition eingebundenen Demokratischen Partei (PD). Den größten Beifall erhielt Moisin von seinem parteiunabhängigen Kollegen, dem Produzenten zahlreicher nationalistisch historischer Filme, Sergiu Nicolaescu. Auf dessen Vorschlag hin hatte der Senat am 1. Juni Antonescu in einer Schweigeminute geehrt. Bereits 1991 hatte das Parlament Antonescu gewürdigt. Damals hagelte es internationale Proteste. Jetzt herrschte Schweigen. Wahrscheinlich, weil seit 1996 in Rumänien, wie man behauptet, waschechte Demokraten regieren. William Totok