Schwedens Homosexuelle dürfen gemeinsam altern

■ Als erste Stadt des Landes bekommt Stockholm ein Altenheim für Schwule und Lesben

Stockholm (taz) – „Man soll zumindest als Rentner aufhören können, mit einer Lebenslüge zu leben.“ So lautet die zentrale Begründung der Stadt Stockholm für eine in Schweden bislang einmalige Initiative: ein spezielles Altersheim für Schwule und Lesben. Der sozialdemokratische Kommunalrat Börje Vestlund, selbst schwul, hat die Frage einer Alterseinrichtung für Homosexuelle propagiert. Aus vielen Gesprächen mit Homosexuellen weiß er, daß für einen großen Teil von ihnen die Möglichkeit, im Alter unter „seinesgleichen“ wohnen zu können, als wesentliche Erleichterung angesehen wird. „Viele empfinden eine große Unruhe über die Vorurteile, die Sonderbehandlung und Ausnahmestellung, der man als Homosexueller in einem Altenheim ausgesetzt ist“, berichtet er.

Die Stiftung „Gay-sol“ (Schwulen-Sonne), eine Gruppe älterer Homosexueller im schwedischen Schwulen-und-Lesben-Verband RSFL, hat bereits mit den praktischen Vorbereitungen für den Start eines eigenen Altenheims für Schwule begonnen. „Wir hoffen, daß von Anfang an auch eine Gruppe lesbischer Damen dabei ist“, erzählt der 66jährige Boel Matthis. „Das Gefühl, seinen Lebensabend unter Menschen verbringen zu können, die zur gleichen Gruppe gehören, wäre sehr angenehm.“

Die Vorurteile gegen Homosexuelle würden nämlich leider nicht „auswachsen“. Zwar seien „die meisten Älteren vermutlich ebenso ängstlich und halten ihre sexuelle Neigung im Alter genauso verborgen wie vorher in ihrem Leben innerhalb der heterosexuellen Welt“, schätzt Matthis, „aber mehr und mehr von denen, die 'offen‘ gelebt haben, werden ja jetzt Rentner, und gerade ihnen würde es recht schwer fallen, als einsame Individuen in normalen Altenheimen zu leben.“

Am vergangenen Freitag wurde die Frage eines kommunalen Altenheims für Homosexuelle in der Stockholmer Kommunalvertretung abschließend diskutiert. Über Parteigrenzen hinweg herrschte Einigkeit, das Projekt zu verwirklichen. Selbst die den Wünschen von Homosexuellen sonst am wenigsten aufgeschlossenen Christdemokraten hielten es für „selbstverständlich“, so Stadträtin Desirée Pethreus Engström, „daß die Stadt Pläne für ein eigenes Wohnen dieser Gruppe fördert“. Reinhard Wolff