Kein Freund von Überstunden

■ Bei Friedel Hütz-Adams, dem Sprecher der Erlaßkampagne 2000, ist nach dem Gipfel erst einmal Feiern angesagt – trotz weiterer Kritik

„Das war der helle Wahnsinn.“ Friedel Hütz-Adams klingt müde, stolz und nach viel Feiern. Der Pressesprecher der Kampagne Erlaßjahr 2000 beginnt den letzten Tag seines Arbeitsmarathons mit dem Einräumen der schmutzigen Gläser, die noch von der nächtlichen Party übrig sind.

Denn zu feiern haben er und die anderen Organisatoren einiges gehabt: 35.000 Menschen waren ihrem Aufruf für eine Menschenkette zur Unterstützung der Entschuldungskampagne gefolgt und hatten in großartiger Stimmung das Gipfelzentrum umrundet. Er selber, der rund um die Uhr für die Journalisten da war, hatte diese Kette dann nur im Fernsehen sehen können. Ebenso wie er all die Artikel, die in den vergangenen Wochen auf seinem Schreibtisch gelandet waren, nur noch in einem Karton zwischenlagern konnte, um sie dann später auszuwerten.

Nach Wochen der Anspannung sieht er jetzt den Erfolg: „Wir haben es geschafft“, sagt er. „Geschafft, daß die Regierungsvertreter nicht um eine Entscheidung herumgekommen sind.“ Um eine Entscheidung, die weitergehe, als alles, was bisher getan worden sei. „Bundeskanzler Schröder hat sehen müssen, daß es eine breite Wählerschaft gibt, die für eine Entschuldung ist.“

Hütz-Adams wäre kein richtiger Pressesprecher, wenn der Erfolgsmeldung für die eigene Sache nicht auch Kritik an der anderen Seite folgte: Was da von offizieller Seite erlassen werde, seien lediglich die Schulden, die die Länder sowieso nicht bezahlen können – Geld für dringend notwendige Armutsprogramme würden dadurch nicht frei. Auch an den Strukturanpassungsmaßnahmen sei nicht genug getan worden. „Im Koalitionsvertrag steht, daß diese Maßnahmen ein soziales und ökologisches Gesicht bekommen sollen – davon sind die Erklärungen des Gipfels weit entfernt.“

Hütz-Adams hat jahrelange Erfahrung mit der Arbeit von Nichtregierungsorganisationen. In Köln studierte er Geschichte, Philosophie und Volkswirtschaft – letzteres, wie er sagt, nicht, um in die Wirtschaft zu gehen, sondern um Zusammenhänge zu begreifen. Nebenher engagierte er sich ehrenamtlich in der Südafrika-Arbeit, saß im Flugzeug dorthin, als die Meldung von Mandelas Freilassung kam. „Wir haben gejubelt – die Geschäftsleute nicht.“ Ein „Ich“ hört man von ihm selten.

Danach kam die hauptamtliche Arbeit beim Forschungsinstitut Südwind in Siegburg. Innerhalb kürzester Zeit schaffte er sich von dort aus bundesweit Feinde: Zum Beispiel die Altkleiderhändler, deren Geschäfte in Afrika er bloßlegte. Den Kampf gegen Unterlassungsklagen und Schadenersatzforderungen kommentiert er heute trocken mit „anstrengend“.

Die Arbeit bei der Erlaßjahr-Kampagne nahm er an, weil „die Schuldenfrage so ziemlich alles tangiert, was mit der Nord-Süd-Arbeit zu tun hat“. Daß aus der Initiative, die vor knapp zwei Jahren startete, einmal ein weltbewegendes Medienereignis werden würde, damit hatten weder er noch die anderen Organisatoren gerechnet. Durchgehalten hat er, weil die anderen durchgehalten haben, „weil es Spaß macht, weil die Arbeit sinnvoll ist“. Trotzdem, so gibt der 32jährige zu, habe er zwischenzeitlich nur noch von nicht funktionierenden Telefonen geträumt. Seine Frau, eine Ärztin, und seine beiden kleinen Kinder, habe er in den letzten Tagen kaum gesehen, ihre Tageserlebnisse nur noch per Telefon mitbekommen. Dabei sei er beileibe kein Freund von Überstunden und Fanatismus: „Irgendwann ist Schluß.“

Nach der Kampagne will er wieder nur 30 Stunden pro Woche arbeiten, um Zeit für seine Familie zu haben. Aber nächstes Jahr, erzählt er, geht es nach Okinawa zum G-8-Gipfel, das habe man auf der Fete ausgeheckt. Das sei zwar eine Insel, aber vielleicht könne man ja mit Zeppelinen einfliegen. Maike Rademaker