Keine Rückkehr vor dem Winter

■ Gerold Reichenbacher, Einsatzleiter des THW in Albanien fordert den schnellen Bau von Festunterkünften für die Kosovo-Flüchtlinge

Das wirkliche Chaos kommt erst noch: Gerold Reichenbach, Kreisbeauftragter des Technischen Hilfswerks (THW) und Landtagsabgeordneter der SPD in Hessen, sieht die schlimmsten Zustände in Albanien erst kommen, wenn die mehr als 200.000 Vertriebenen, die jetzt noch in Gastfamilien leben, alle in die Flüchtlingslager drängen. Denn auf Dauer könnten die selbst in großer Armut lebenden Albaner ihre Verwandten aus dem Kosovo nicht beherbergen.

Reichenbach (47) berichtete gestern in Wiesbaden von seinem letzten Auslandseinsatz als Einsatzleiter des THW in Albanien. Er forderte den Bau von weiteren Festunterkünften noch vor dem Wintereinbruch: Für die Flüchtlinge in den Zeltlagern, die zum großen Teil auf gar keinen Fall wintertauglich seien, und für all die Menschen, die nicht länger bei ihren überforderten Gastfamilien bleiben könnten. Rund 10.000 Festunterkünfte, die nach einer Rückkehr der Vertriebenen in das Kosovo auch von den Albanern genutzt werden können, hat das THW dort bereits gebaut. Außerdem wurden Kasernen und leerstehende Fabriken zu Notunterkünften umgerüstet.

In Deutschland und in ganz Europa dürfe sich kein Politiker der Illusion hingeben, daß die vertriebenen Kosovaren, die heute in Albanien und Makedonien in den Lagern lebten, noch vor dem Winter alle in ihre Heimat zurückkehren könnten, „selbst wenn die Serben das Kosovo morgen komplett räumen würden“. Bis alle Hilfsorganisationen mit ihrem Material von Albanien und Makedonien in das Kosovo umgezogen seien, vergingen Monate. Erst dann könnten die zerstörten Häuser und Dörfer vielleicht wieder aufgebaut und Festunterkünfte errichtet werden. Deshalb müsse sofort für weitere feste Unterkünfte vor allem in Albanien gesorgt werden, forderte Reichenbach abschließend: „Sonst werden wir vielleicht schon im Herbst und ganz sicher dann im Winter, wenn uns das Fernsehen die in den Lagern hungernden und frierenden Kosovaren in die Wohnzimmer bringt , die armen Menschen bei uns in Westeuropa aufnehmen müssen.“ Klaus-Peter Klingelschmitt