■ 30 Jahre Christopher Street Day
: Namen und Symbole, Flaggen und Fahnen

Namen und Symbole haben zuweilen lange Haltbarkeitsdaten und überleben ihre ursprünglichen Inhalte. Die allsommerlichen schwul-lesbischen Groß-Events der 90er Jahre haben nichts mehr zu tun mit jenem Ausbruch homosexuellen Volkszorns, der sich am 27. Juni 1969 gegen eine Polizeirazzia in der New Yorker Bar „Stonewall Inn“ entlud und zum Signal für eine neue, radikalisierte Schwulen- und Lesbenbewegung wurde.

Noch 1980 endete die erste Hamburger Homo-Demo mit polizeilichem Knüppeleinsatz, 1998 war Bürgermeister Ortwin Runde (SPD) höchstselbst Schirmherr einer großen, bunten Party. Grundsätzliche Kritik, zum Beispiel an der Bevorzugung der Lebensform Ehe, ist fast gänzlich dem Streben nach Teilhabe an den einst verdammten Privilegien gewichen. Auch daß das rot-grün regierte Deutschland bei einem Angriffskrieg mitbombt, hält kaum jemanden vom Feiern ab; ein Fax mit Briefkopf des Lesben- und Schwulenverbandes in Deutschland (LSVD), das den Ausfall des Kölner CSD wegen des Kosovo-Krieges verkündete, entpuppte sich als Fälschung.

Von amtlicher Seite äußert sich Homophobie in rot-grünen Zeiten nur noch selten offen. Statt dessen entspinnen sich formale Scharmützel wie das um die Regenbogenfahne. Schon seit 1997 würden die Hamburger CSD-VeranstalterInnen und die GAL das bunte Tuch zum lesbisch-schwulen Feiertag gerne vor dem Rathaus gehißt sehen. Aber da ist die „Anordnung über Wappen, Flaggen und Siegel der Freien und Hansestadt Hamburg“ von 1982 vor. Denn laut dieser, so die Senatskanzlei, dürfen auf staatlichen Fahnenmasten nur Hoheitszeichen wehen. Zwar heißt es in der Anordnung: „Sofern der Anlaß der Beflaggung es rechtfertigt, dürfen außerdem andere Flaggen gesetzt werden.“ Doch nach offizieller Auslegung sind Regenbogenfahnen eben nur Fahnen und keine Flaggen, da keine Hoheitssymbole. Die Bezirksversammlungen Altona, Eimsbüttel und Nord würden gerne ihre Bezirksämter regenbogenbunt beflaggen, aber auch das geht nicht: Der CSD gilt nicht als Bezirksangelegenheit.

Dafür wird zur Parade am 12. Juni wieder die längste Regenbogenfahne Europas durch die Stadt getragen, und die Folge von Partys, Diskussionen und Kulturveranstaltungen wird zweifellos, wie CSD-Pressesprecher Peter Langanka stolz verkündet, „größer, bunter und aufwendiger“ als je zuvor.

Jakob Michelsen