UNHCR: Flüchtlinge in Gefahr

■ Manöver an albanisch-serbischer Grenze. Nato weitet Angriffsziele aus. Treffen von Rugova und UÇK-Vertretern geplatzt

Das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) hat gestern angesichts albanischer Grenzmanöver einen militärischen Konflikt mit den Serben befürchtet, der die rund 100.000 Flüchtlinge in Kukes im Norden in Gefahr bringen könnte. Ganz in der Nähe von Kukes an der Grenze zum Kosovo seien Artillerieschüsse zu hören, sagte UNHCR-Sprecher Kris Janowski. Falls die Serben ebenfalls schössen und ein Geschoß Albanien treffe, könne dies „verheerende Folgen“ für die Flüchtlinge haben. Gleichzeitig liefern sich serbische Kräfte und Kämpfer der UÇK in dem Grenzgebiet Gefechte. Die Behörden hätten versichert, die Manöver würden nach einigen Stunden beendet.

In Albanien wurden nach Angaben des UNHCR 400 Neuankömmlinge registriert, darunter 165 Männer, die im Gefängnis Smrekovnica inhaftiert waren. Sie wurden nach Aussagen bei Verhören über mögliche Verbindungen zu UÇK-Rebellen mißhandelt.

Die Situation an der Grenze zwischen dem Kosovo und Makedonien war nach UNHCR-Angaben gestern weiter unklar. Am Hauptgrenzort Blace kämen kaum noch Flüchtlinge an, während über Pfingsten 30.000 Kosovo-Albaner die Grenze überquert hätten. Die Grenze war am Mittwoch auf serbischer Seite blockiert worden, obwohl sich nach Flüchtlingsaussagen Schlangen von bis zu 15.000 Menschen vor der makedonischen Grenze gebildet hatten. Rund 1.000 Menschen kamen laut UNHCR am Donnerstag über den Grenzort Jazince nach Makedonien. Janowski kündigte den Bau eines neuen Flüchtlingscamps an.

Die Nato hat in den vergangenen 24 Stunden den Umfang von Angriffszielen in Jugoslawien ausgeweitet. Dazu gehörten vier Hochspannungsmasten und zwei Umspannwerke bei Belgrad.

Auch das Hauptquartier der Sicherheitspolizei in Pritina wurde beschossen. Weiter berichtet das Bündnis von Angriffen auf vier Landebahnen, sechs Munitionslager, vier Militärdepots und zwei Öltanks. Außerdem seien Rundfunk- und Fernsehstationen bombardiert worden. Auch gestern nachmittag wurden die Angriffe nach serbischen Angaben fortgesetzt. Dabei seien mehrere Brükken, wichtige Straßen und zivile Objekte angegriffen worden. In Aleksinac seien mindestens drei Zivilisten getötet worden, als ein Stadtteil getroffen wurde.

Die Nato hat bei der makedonischen Regierung offiziell eine Verdopplung der Truppenstärke auf 30.000 Mann in dem Balkanstaat beantragt. Außenminister Aleksandar Dimitrov erklärte, der Antrag werde geprüft. Es müsse jedoch sichergestellt sein, daß die Truppe nicht für einen Kampfeinsatz im Kosovo geeignet sei.

Die Türkei ist bereit, sich an einem Bodentruppeneinsatz der Nato im Kosovo zu beteiligen. Die Zeitung Sabah zitierte den türkischen Luftwaffenkommandeur, General Ilhan Kilic: Falls die Nato den Einsatz von Heeresverbänden im Kosovo anordne, könnte sich die Türkei daran beteiligen.

In Paris sind gestern die Differenzen in der Führung der Kosovo-Albaner erneut offen zutage getreten. Ein geplantes Treffen ihres politischen Repräsentanten Ibrahim Rugova mit Anführern der Kosovo-Befreiungsarmee UÇK fand nicht statt. Er hoffe dennoch, daß die Meinungsverschiedenheiten zwischen ihnen überwunden werden könnten, sagte Rugova.

dpa, AP, rtr, epd