Neuaufbau in Schwarz-weiß-blau

■ HSV-Trainer Frank Pagelsdorf über Führungsspieler, Finanzen und den Wert von Unfertigkeiten

Morgen beendet Frank Pagelsdorf seine zweite Saison als Trainer beim Hamburger Sportverein auf einem sicheren siebten Tabellenrang. Spätestens in der nächsten Saison will „Pagel“, der vorher Hansa Rostock in der Ersten Liga etablierte, mit dem HSV einen europäischen Wettbewerb erreichen.

taz: Mit welchen Erwartungen sind Sie 1997 zum HSV gekommen?

Frank Pagelsdorf: Das Präsidium hat mir damals nahegelegt, sportlich einen kompletten Neuaufbau zu betreiben. Dafür sollte ich drei Jahre Zeit haben. Die Vereinsführung wollte einen Umbruch, eine Verjüngung. Die hatte ich bei Hansa Rostock schon einmal geschafft. Meine eigene Zielvorstellung war klar: Ich wollte den HSV in höhere Regionen führen.

Sie sollten den sportlichen Schnitt durchführen. Haben Sie bei Ihrem Antritt auch gewußt, was mit der Modifizierung der gesamten Vereinsstruktur – Stichwort UFA – auf Sie zukommt?

Nein. Es war aber die Rede von dem neuen Stadion. Das war einer der Gründe, warum ich diese Aufgabe für so interessant fand.

Jetzt nach zwei Jahren gibt es Vorwürfe, Sie hätten zuviel Geld ausgegeben. Gestehen Sie sich Fehler in der Einkaufspolitik ein?

In meinem ersten Jahr haben wir 12,5 Millionen Mark investiert, und für 11,5 Millionen verkauft. Im zweiten Jahr waren es 5,5 Millionen Mark Investitionen gegenüber 3,5 Millionen aus dem Verkauf. Das ist für einen Umbau einer Mannschaft relativ überschaubar. Ich bin mit den Spielern, die wir geholt haben, zufrieden. Eine Ausnahme ist die Verpflichtung von Martin Dahlin.

Ihr Traum für die nahe Zukunft?

Wir wollen die Möglichkeit nutzen, über den UI-Cup bereits in dieser Saison in den Uefa-Cup zu kommen.

Von wem erwarten Sie da eine Führungsrolle?

Der größte Schritt in diesem Jahr war, daß sich eine Struktur herausgebildet hat: Wir haben jetzt mit Butt, Hoogma, Panadic und Herztsch eine klare Kontur in der Abwehr. Im Mittelfeld sind Ernst und Groth gesetzt, vorne Yeboah. Damit hat sich ein Gesicht herausgezeichnet: Das sind meine Führungsspieler.

Stichwort Kaderschmiede Pagelsdorf: In Rostock wurden Ihnen viele gute Spieler, die Sie fußballerisch sozialisiert hatten, weggekauft. Droht dem HSV ähnliches?

Wir verkaufen niemanden, den wir nicht verkaufen wollen. Die Spieler sind mit langfristigen Verträgen ausgestattet. Das gehört zur Konzeption: Wir haben 21 Verträge, die bis zum Jahr 2001 und länger gehen.

Woher haben Sie Ihr goldenes Händchen für Talente?

Ich bin interessiert an unfertigen Spielern und habe eine Vision, wohin Leistung und Potential führen können.

Apropos Leistung: Würden Sie sich als harten Trainer bezeichnen?

Hart, aber fair. Es ist wichtig, daß die Spieler ihre Selbstständigkeit behalten. Ich möchte sie im Privaten nicht reglementieren.

Wie sind Sie überhaupt vom Fußballprofi zum Trainer gekommen?

Das war eher zufällig. Ich habe zuletzt bei Hannover 96 gespielt, wurde 1991 Sportinvalide. Da hatte ich Zeit, meinen Fußballehrerschein zu machen. Nebenbei trainierte ich die Amateurmannschaft von Hannover. Von 1992 bis 1994 war ich Trainer beim FC Union Berlin. Wir wurden zweimal Amateurmeister und Berliner Pokalsieger, haben aber leider die Lizenz für die Zweite Liga damals nicht bekommen.

Was würden Sie machen, wenn Sie kein Fußballtrainer wären?

(Lacht): Ich wäre Talentspäher.

Fragen: Martin Sonnleitner