The trouble is real – aber auch spaßig

■ Dr. Eugene Chadbourne im „Tower“ oder: Die Eigenschaften der Weizenbiertrinker

Am Dienstag nachmittag taten „12 Kappen Wasser“ ihren Teil, daß mal wieder ein Lächeln durch die Runde ging, als die Lieblingsband der Armutsaristokratie bei feinstem Sonnenschein das Viertel beschallte. Zwei junge Künstler – die Namen sind der Polizei bekannt – bekleben die Wände mit „Affen“-Postern und es gibt nur ein Thema: „Paros“ hat die Bierpreise auf 1,50 Mark gesenkt.

Am Abend gab es im Tower mal wieder die Gelegenheit, Dr. Eugene Chadbourne aus den USA bei einem seiner alljährlichen Konzerte zu besuchen. Der Meister des Ein-Mann-Ein-Song-Prinzips erwies sich als Clown Prince of Country, der – mit Feedbackharke und elektrischem Totenkopf gewappnet – den Laden sofort in seinen Bann zog und die Köpfe entwaffnete. „The world according to Näto, they promised us steaks and brought just one potatoe.“ Es darf gelacht werden. Jazz, Punk, Low-Fi, No-Fi, Pro-Fi, aber alles doch schwer amerikanisch. Chadbourne gehört zur alten Garde der Ausnahmetypen, längst über jeden Zweifel erhaben, immer Avantgarde ein Leben lang und niemals mehr als einen Teller Suppe als Dank. Mit seinem Partner Kramer rockte der Doktor in der semi-legendären Band „Shokabilly“ durch die Achtziger. Seine Kolumnen im „Maximum Rock'n'Roll“ gehörten zu den wenigen Highlights dieses wahnsinnig kultigen Magazins, und die meiste Zeit seines Lebens verbrachte er damit, Menschen wie „Sonic Youth“ zu beeinflussen, die später unermeßlich reich werden sollten.

Er trieb sich auch viel in New Yorker Jazzkellern herum, spielte mit Jimmy Carl Black („Mothers of Invention“), den „Violent Femmes“, Camper van Beethoven, Ed Cassidy und hat in der „Knitting Factory“ einen beeindruckenden Deckel. Seine Experimentierfreude ist Gesetz, und Chadbourne hat mehr Platten gemacht als er an Lenzen zählt. Die Sessions mit John Zorn und Fred Frith sind wahrscheinlich die merkwürdigsten Geräusche, die je von lebenden Menschen produziert worden sind.

Avantgarde am Dienstag, nicht ganz das übliche Publikum, viele Weizenbiertrinker. Ein vielgeschmähtes Volk, die Typen. Aber möglichst früh viele Weizenbiertrinker in der Hütte zu haben, ist das Erfolgsrezept jeder Veranstaltung. Die Jungs gehen nicht so oft aus, kommen oft allein, machen keinen Ärger, hören sich stoisch alles an und trinken dabei ihre vier Gläser in rationalem Preis-Leistungs-Verhältnis. Weizenbiertrinker gehen nicht auf Konzerte weil sie sowieso auf der Gästeliste sind.

„It's hard to find out, the trouble is real“ singt Eugene. An der Wand lehnt ein einsames Indie-Girl. In fünf Jahren wird sie wieder zu Dr. Chadbourne gehen, einen abfälligen Blick auf ein junges Indie-Girl an der Wand werfen und fragen, ob „noch niemand da ist“. Chadbourne macht wieder Faxen und imitiert die Frau von Senator und Hexenjäger Jesse Helms. „We should send all the 16-year-old boys with guns to kosovo and tell them, no movies, no coca cola, until they got this thing settled.“ Und er endet mit einem seiner besten Songs. „When you laugh about my jokes, they could think we're in love.“ Ein guter Tag, ein guter Abend.

Tommy Blank, Raketenwissenschaftler und Sonnenölbeauftragter

P.S.: Verpassen sie am Freitag nicht „A.S.E.“, um 20 Uhr auf der Terrasse vom Sielwall 22!