Der ewige Zweite

Im Senegal ist Baaba Maal neben Youssou N'Dour der populärste Sänger. Doch mit der internationalen Karriere haperte es bisher  ■   Von Daniel Bax

„Wir spielen eine Doppelrolle“, sagt Baaba Maal. Mit einer Handvoll deutscher Journalisten sitzt er nach seinem Konzert hinter der Bühne und skizziert das Dilemma afrikanischer Musiker: „Einerseits müssen wir die Tradition bewahren. Musik ist immer noch das wichtigste Kommunikationsmittel in Afrika, deswegen haben wir eine große Verantwortung der Gesellschaft gegenüber. Andererseits müssen wir aber auch zur Welt sprechen, um ihr ein anderes Bild Afrikas zeigen. Und dafür müssen wir uns einer Sprache bedienen, die allgemein verstanden wird.“

Baaba Maal bemüht sich, beide Ansprüche unter einen Hut zu bekommen. Im Senegal ist er ein Superstar, der in schöner Regelmäßigkeit neue Kassetten auf den westafrikanischen Markt wirft. Daneben versucht er sich an einer internationalen Karriere. Bisher mit weniger Erfolg als sein Landsmann Youssou N'Dour – auch im globalen Rennen scheint Baaba Maal auf die Position des ewigen Zweiten abonniert zu sein. Das dürfte nicht zuletzt am mangelnden Geschick in der Wahl der Mittel liegen. Seine weltweit veröffentlichten Alben „Firin'in Fouta“ und „Nomad Soul“ haben Baaba Maal in den letzten Jahren, zumindest bei einer interessierten Hörerschaft, international bekannt gemacht. Aber die aufwendig produzierten Popplatten lassen nur eine Ahnung von dem, wofür er im Senegal so hoch geschätzt wird. Ausgefallene Arrangements ersticken den Charme der ursprünglichen Melodien, und Baaba Maals ausdrucksreiche Stimme wird fast begraben unter einer Schutthalde aus flotten Soundideen. So ließ er sich auf seinem letzten Album von den irischen Backgroundsängerinnen Sinead O'Connors begleiten und stellte sich einem Duett mit dem jamaikanischen Reggaestar Luciano. Das sind so die üblichen Verwirrungen der Weltmusik.

„Früher hat man auch die Koraharfe und die Handtrommel Djembe nie zusammen gehört, weil sie von unterschiedlichen ethnischen Gruppen gespielt wurden. Heute ist das nichts Außergewöhnliches mehr“, verteidigt sich Baaba Maal mit einem Beispiel aus dem Senegal. Aber er sieht durchaus die Problematik des Mischens ohne Sinn und Verstand. „Das kann gefährlich sein, wenn man es nicht richtig macht. Man muß wissen, was man beibehält und was man sich von woanders nimmt.“ Für „Nomad Soul“ versicherte sich Baaba Maal der Mitarbeit so unterschiedlicher Studiowerker wie Ron Aslan, Brian Eno und Howie B und Simon Emmerson (siehe taz vom 17. 5.). Doch was solche Starproduzenten auf den vermeintlichen Geschmack eines westlichen Publikums zuschneiden, das unterscheidet sich erheblich von dem, was man in Westafrika hören mag. Dort wendet sich Baaba Maal mit seiner Musik an alle Generationen und Schichten.

Baaba Maal befindet sich seit jeher in der Zwickmühle, Modernisierer und Traditionalist zugleich sein zu wollen. Daß er überhaupt Musiker wurde, ist mehr einem Zufall zu verdanken. Ein Angehöriger der Minderheit der Fulbe, wuchs er im Norden des Landes als Sohn eines Muezzins und einer Feldarbeiterin auf. Zum Jurastudium zog es ihn nach Dakar, wo er sich einem Kulturensemble namens Asly Fouta anschloß. Mit diesem machte er Musik für die Migrantengemeinde der Fulbe in Dakar, der die heimatlichen Klänge fehlten. Als die Gruppe einmal im Radio gesendet wurde, verbreitete sich schlagartig ihr Ruf.

Tatsächlich war der Radioauftritt einer Fulbe-Folkloregruppe zu jener Zeit recht ungewöhnlich. „Traditionelle afrikanische Musik hörten wir bei Zeremonien, auf Feiern, aber nicht im Radio. Wenn man in den sechziger Jahren im Senegal auf eine Party ging, dann war da eine moderne Band, die amerikanische oder kubanische Musik nachspielte“, berichtet Baaba Maal. Erst allmählich ließ man von der Adaption, sang in der Landessprache oder schmuggelte afrikanische Instrumente ein. „Ich bin aufgewachsen, als sich in Westafrika das Radio etablierte. Dort spielten sie viel kubanische Musik und viel R 'n' B: James Brown, Otis Redding, Wilson Pikkett. Das war sehr neu für uns. Die Musik klang vertraut, obwohl die Stücke auf englisch waren. Viele Westafrikaner dachten damals sogar, die kubanische Musik sei afrikanische Musik.“ Was ja auch nicht ganz falsch ist.

Baaba Maal gehört der Generation an, die sich in Bands zusammenschloß und damit die Musiklandschaft Westafrikas revolutionierte. Zuvor war der Musikerberuf das Monopol der Griots gewesen, einer Musikerkaste, die auftragsgemäß das Loblied auf die Reichen und den Mächtigen sang. Heute werden die Griots noch immer als Virtuosen geschätzt, aber sie sind keine Autoritäten mehr. „Musiker sind heute die modernen Griots“, sagt Baaba Maal und meint, daß sie deren zentrale Stellung übernommen haben. Neben Youssou N'Dour der populärste Sänger des Landes, gilt Baaba Maal im Senegal als Intellektueller unter den Songschreibern. Aufgrund seiner Fulbe-Herkunft sensibilisiert, artikuliert er sich stets politisch bewußt, für Frauenrechte etwa oder gegen die wirtschaftliche Abhängigkeit des afrikanischen Kontinents. Über das multiethnische Zusammenleben mag Baaba Maal, mit Blick auf manche Nachbarländer, dagegen nicht klagen: „Wir haben nicht den höchsten Stand der Demokratie, soviel ist sicher, aber wir leben Gott sei Dank in einem sehr aufgeklärten Land. Senegals Bevölkerung ist sehr gemischt, und es gibt viele interethnische Heiraten.“

Wie schon Youssou N'Dour, widmet sich auch Baaba Maal in letzter Zeit verstärkt der Nachwuchsförderung. Sein kleines Yoff-Label, assoziiert mit einem weltweiten Vertriebspartner, soll afrikanischen Künstlern eine Plattform bieten. „Ich denke, es ist wichtig, daß wir eigene Strukturen aufbauen und alle Möglichkeiten nutzen, die wir haben“, proklamiert Baaba Maal. „Die jungen Leute im Senegal sind weltoffen, es geht eine Menge von ihnen aus.“ Längst ist diese Entwicklung nicht mehr musikalisch auf einen Nenner zu bringen, umfaßt akustischen Afro-Folk ebenso wie HipHop, das neue, heiße Ding. „HipHop wird immer wichtiger im Senegal. Warum? Weil er von jungen Leuten gemacht wird, die in ihren Stücken gesellschaftliche Belange ansprechen“, freut sich Baaba Maal. Ob er es selbst mal mit HipHop-Beats probieren würde, um nicht von der Entwicklung abgehängt zu werden? „Ich habe es schon versucht, ein bißchen“, grinst er. „Vielleicht veröffentliche ich das auf meinem nächsten Album. Musik ist etwas, mit dem man experimentieren sollte. Ich möchte nicht auf einem Punkt stehenbleiben.“ Das immerhin gibt zu Optimismus Anlaß. Konzerte: 23. 5. Jazz Festival Moers, 30. 5. Afro-FestivalWürzburg