Die semantische Katastrophe

■ Im Tower hielten die Bremer Bands „Verstärker“ und „In Mono“ einen Grundkurs in rudimentärem Deutsch ab

Die DeutschlehrerInnen haben es schwer. Neue Rechtschreibung, Anglizismen überall, und wer in letzter Zeit mal bei McDonald's war, kann dort noch gänzlich neue Tiefen im Umgang mit der deutschen Sprache kennenlernen. Im Gegenzug haben sich aber in den letzten Jahren die jungen Musiker der Sprache angenommen, um diese zumindest popmäßig wieder gesellschaftsfähig zu machen. Neben den HipHoppern und den bösen Buben von der „Neuen Deutschen Härte“ sind vor allem gewisse Bands aus Hamburg dafür verantwortlich und ganz besonders natürlich „Blumfeld“, die sich mit klebrigen Songs mit „1000 Tränen tief“ auf ihrem neuen Album ganz bewußt in die Nähe der Schlagerverdächtigen hocken. Der deutsche Zeitgeist möchte jetzt auch einfach mal trivial sein dürfen. Man möchte nicht mehr „Akademiker Pop“ und unverstanden sein, möchte geliebt werden, wenn auch nicht von allen und jedem.

Szenenwechsel. Mittwochabend im „Tower“. Auftaktkonzert zur gemeinsamen Tour der Bremer Bands „In Mono“ und „Verstärker“, zwei Bands, die bei verschiedenen Gelegenheiten schon auf sich aufmerksam gemacht haben. „Verstärker“ eröffnen den Abend und werden nicht müde, auf die Band zu verweisen, die ihnen als Pate bei der Gründung zur Seite stand. Aber das Trio hat eigentlich sehr wenig mit „Blumfeld“ gemein, was ja nicht schlimm wäre, wenn sie halt nicht dauernd von denen reden würden. Mit pathetisch großer Pose legten „Verstärker“ los und reihten Referenzen aneinander. Ein bißchen böllern wie „Soundgarden“, ein bißchen Seele-aus-dem-Leib-schreien wie die Sma-shing Pumkins und auch mal von der Verflossenen singen - was man von den Texten verstehen konnte, ließ die Haare zu Berge stehen.

„Verstärker“ gefielen sich in der Rockpose und animierten gar zum Mitsingen der entscheidenden Stellen ihrer Cover-Version von „Einsam“, einem alten Titel der „Münchener Freiheit“, der kürzlich für die Charts neu aufpoliert worden ist. Das war dann auch dem hartgesottenen Kritiker-Monster irgendwann zuviel. „Ich will rauuuuaaauuus“, nee, das verstößt gegen alle Menschenrechtskonventionen, und wer sich mit der anlegt, muß heute mit dem Schlimmsten rechnen.

„In Mono“ lehnten sich nicht ganz so weit nach vorne, aber auch ihnen fehlte es im Abschluß. Technisch reichlich flott, musikalisch wenig, woran man sich reiben oder hinterher erinnern konnte. Getanzt wurde nicht, aber der größte Teil des Publikums schien sich zu amüsieren. Beide Bands wollten eigentlich nichts anderes als nur gefallen, und das ist nicht besonders viel.

Die Frage ob nun Deutsch oder Englisch stellt sich dabei gar nicht. MTV spricht auch längst deutsch. Deutschrock der 90er ist ein Genre, bei dem sich die Experten seit langem fragen, ob die ganze Sache nicht bald auseinanderfliegt wie einst die „Neue Deutsche Welle“.

(Schon die dazugehörige Kindergarten-Mode mit ihren extra-doofen Frisuren wird sich nicht mehr lange halten können, oder zumindest möchte man das hoffen.)

Aber wahrscheinlich wurde das Etikett „Hamburger Schule“ zu schnell vergeben, und alle Nicht-Hamburger sind jetzt aus dem Schneider. In Hamburg gab es immer ein Gesetz, daß man auf Deutsch zu singen hatte, aber es liegen Welten zwischen Bands wie „Slime“, „Cpt.Kirk“, der „Kolossalen Jugend“ oder „Happy Grind-core“.

Im Hamburger Windschatten ist einiges möglich, aber bei „Verstärker“ und „In Mono“ wurde man eher an die Jungs von „Echt“ erinnert, die derzeit mit „alles wird sich ändern, wenn ich groß bin“ für Fu-rore sorgen. Deutschrock ist irgendwie okay und gut drauf. Trotzdem ist es eigentlich egal, in welcher Sprache man den seichten Herzschmerz besingt. Heinz-Rudolf Kunze und der „deutsche Textdichterverband“ können sich allerdings die Hände reiben.

Tommy Blank