Im Kosovo droht jetzt vielen der Hungertod

■ 40.000 Vertriebene bei Glagovac sind von der jugoslawischen Armee eingekesselt

„Zehntausende leben in den Wäldern und haben nichts mehr zu essen“, berichtet der Schriftsteller Behram Huti in Kukes. Er ist einer der wenigen, der nach den Vertreibungen aus den größeren Städten des Kosovo vorübergehend wieder in die umkämpfte Provinz zurückgekehrt war. Er behauptet von sich, Kurierdienste für die UÇK zu leisten. „Die UÇK beherrscht noch einige Gebiete, wir haben 25.000 Mann innerhalb des Kosovo.“

Am meisten zu schaffen mache den Kämpfern der Hunger und der Munitionsmangel. Noch sei der Weg von der albanischen Grenze bis in die Region Drenica sehr gefährlich, berichtet er, denn bei diesen Gebieten handele es sich um Enklaven, die von serbischen Streitkräften eingeschlossen sind. Man könne nur nachts vorwärtskommen, auch dies sei gefährlich, denn die serbischen Scharfschützen besäßen Nachtsichtgeräte. Auch in den Regionen Drenica im Norden Zentralkosovos und in den weiter östlich gelegenen Gebieten um die Bergbauregion Trepca sowie um Podujevo gebe es noch Widerstandsnester, aber auch viele Zivilisten, sagen Vertreter der UÇK.

Die Menschen hätten jedoch noch eine Hoffnung auf die Wende im Krieg, denn die Aktionen der Nato zeigten doch langsam Wirkung, sagt Behram Huti, die serbischen Aktivitäten würden eingeschränkt. Hinzu kämen Desertionen aus der serbischen Armee. „Wir brauchen nur Munition und Lebensmittel, wir brauchen eine Versorgung aus der Luft, wir brauchen Air-Drops“, meint er, dann könnte sich die Lage sehr schnell ändern.

Viele zehntausend Albaner leben aber immer noch in von den Serben beherrschten Gebieten. Sie sind der Willkür, dem Terror und zunehmend dem Hunger ausgesetzt. „Die Vertriebenen, die dieser Tage an der Grenze nach Albanien oder Makedonien ankommen, sind zumeist in sehr schlechtem Zustand“, berichten Sprecher der Hilfsorganisationen. Auch das albanische Fernsehen meldete vor einigen Tagen, Tausende von Binnenflüchtlingen, die in einem Tal im westlichen Kosovo von serbischen Truppen eingekesselt seien, hätten keinerlei Lebensmittelvorräte mehr und seien vom Hungertod bedroht.

„Wir haben in den letzten Tagen in Glagovac nur noch Körner gegessen“, sagen die Vertriebenen, die aus dieser nahe Prishtina liegenden Stadt stammen. Glagovac ist von serbischen Truppen eingeschlossen. 40.000 Menschen seien noch dort, die Lebensmittelvorräte seien zur Neige gegangen. „Die jetzige Bevölkerung ist bunt zusammengewürfelt, es sind Leute darunter, die schon seit einem Jahr auf der Flucht sind“, sagt ein Informant.

Auch die Flüchtlinge aus der im westlichen Kosovo liegenden Stadt Djakovica und den umliegenden Dörfern sind vom Hunger gezeichnet. Die noch relativ glimpflich behandelten Vertriebenen aus der weiter südlich liegenden Stadt Prizren berichten darüber, daß es der serbischen Zivilbevölkerung verwehrt worden sei, Lebensmittel an Albaner abzugeben. In den Geschäften würden die Ausweise kontrolliert.

Niemand weiß, wie viele Kosovaren sich noch in dem Land aufhalten. Wenn die internationalen Hilfsorganisationen von 800.000 Vertriebenen in Albanien, Makedonien und Montenegro sprechen, wenn man eine Dunkelziffer von 200.000 bis 300.000 nichtregistrierten Flüchtlingen einbezieht, dann müßten sich noch ungefähr 600.000 im Kosovo aufhalten. Die UÇK spricht von 800.000 dort Verbliebenen.

Bisher sind alle Versuche der UÇK gescheitert, von Albanien aus einen Korridor in die der Grenze am nächsten gelegenen Enklaven zu schlagen. Der UÇK ist es bei Tropolje in Nordalbanien lediglich gelungen, einige Kilometer in das Gebiet Kosovos vorzudringen.

Die Bombenangriffe von Nato-Flugzeugen entlang der Grenze erzielten bis vor wenigen Tagen kaum Wirkung. Nach der Attacke auf zwei serbische Grenzposten – in Prushit und Gorzhupi – vergangene Woche wurde vermutet, daß die serbische Seite im voraus von den Angriffen informiert war. Erich Rathfelder, Kukes