Klassenkämpferische Töne im Designerkostüm

■ 10.000 Bankangestellte legten gestern die Frankfurter City lahm. Den Arbeitgebern wollten sie im Tarifstreit zeigen: Keine Samstagsarbeit ohne zusätzliche Bezahlung

Frankfurt (taz) – Eigentlich sei das nicht ihr Ding, hier mit dem weißen Umhang der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen (HBV) „im Regen rumzulatschen“. Der jungen Frau aus der Devisenabteilung einer Großbank, die unter dem „Duschvorhang“ ein graues Designerkostüm trägt, steht das Wasser in den Pumps. Aber sie marschiert tapfer weiter: vom Hauptbahnhof zum Opernplatz; zusammen mit Tausenden anderen Bankangestellten, die gestern mit Sonderzügen und mit Bussen aus ganz Deutschland nach Frankfurt kamen, um „den Bossen“ kollektiv zu signalisieren: „Es reicht!“

Sie wollen nicht auch noch am Sonnabend arbeiten und an gesetzlichen Feiertagen, wie das die Arbeitgeber in den laufenden Tarifverhandlungen von ihnen fordern. Und das auch noch ohne Mehrvergütung. Sie fühlten sich ohnehin schon „über die Maßen ausgebeutet“, wie es ein Mitarbeiter der Dresdner Bank formulierte. Die Rationalisierungsmaßnahmen bei fast allen Großbanken hätten doch schon „Mehrbelastungen bis an die Schmerzgrenze“ gebracht.

Ungewohnt klassenkämpferische Töne von ArbeitnehmerInnen, die im Schnitt 6.000 Mark netto verdienen. Darüber könne sie nur „verbittert lachen“, sagt die 45 Jahre alte Kassiererin aus einer Privatbank in Frankfurt. Sie bringe gerade mal 2.800 Mark netto nach Hause. Im Durchschnittsgehalt seien doch auch die Millionengehälter der Bankvorstände eingerechnet. „Von wegen Statistik. Das ist doch alles Betrug.“ Mehr als 10.000 Bankangestellte und auch Banker der mittleren Führungsebene, die vor allem über „Streß“ und „ungesicherte Beschäftigungsverhältnisse“ klagen, sind dem Aufruf von HBV und Deutscher Angestelltengewerkschaft (DAG) gefolgt. Insgesamt sind es vier Sternmärsche zum Kundgebungsort. Die City ist lahmgelegt.

Der Kundenwunsch bestimme die Firmenpolitik, heißt es bei den Arbeitgebern. Und weil viele Kunden keine Zeit hätten, ihre Hausbanken zu den normalen Öffnungszeiten zu besuchen, sei die Einführung der Samstagsarbeit unumgänglich. Alles lasse sich nämlich nicht „Online“ erledigen; schon gar nicht die qualifizierte Beratung. Daß die Samstagsarbeit kommen wird, glauben auch viele der Protestierenden. „Aber wenn schon Samstags arbeiten, dann muß wenigstens die Kasse stimmen“, sagt ein Kundenberater der Commerzbank: „Mehr Geld“ müsse dafür her. Sein Kollege ist weiter „strikt dagegen“. Unter Samstagsarbeit leide das Familienleben: „Was soll ich denn mit einem freien Dienstag, an dem meine Frau arbeitet und die Kinder in der Schule sind. Am Samstag sind alle anderen daheim.“ Er bläst kräftig in seine Trillerpfeife. Es gibt viel Beifall auf der Kundgebung für Margret Mönig-Raane, die HBV-Vorsitzende. Die „Türme“ will sie „wackeln lassen“. Und mit dem direkten Blick auf die Zwillingstürme der Deutschen Bank ruft sie kampfeslustig: „Mit Peanuts lassen wir uns diesmal nicht abspeisen!“

Klaus-Peter Klingelschmitt