Immer wider Liebeslieder

„ich frier. in dir“: Laub machen Musik straight aus dem Innenleben. Auch zu ihrer zweiten CD kann man weder tanzen noch turteln, aber das muß so sein. Begeisterung ist ihnen so recht wie totale Ablehnung. Ein Drittes wird nicht gegeben  ■   Von Gerrit Bartels

Es herrscht noch reges Treiben an diesem Freitag abend in dem im Parterre gelegenen Büro des Berliner Labels Kitty Yo in der Torstraße. Labelbetreiber Patrick Wagner, seine Mitarbeiterin Constanze Brockmann und auch Barbara Wagner von der im selben Raum residierenden Konzertagentur „Headquarter“ sitzen noch ziemlich busy an ihren Computern und Telefonen. Alltag bei einem Indielabel. Dazu gehören auch die Interviews, die die Kitty-Yo-Band Laub seit dem frühen Nachmittag anläßlich ihres neuen Albums gibt. Leicht abgekämpft wirken die beiden Musiker Antye Greie-Fuchs und Jürgen „Jotka“ Kühn, und ein wenig sitzen sie in dem Raum wie bestellt und nicht abgeholt.

Doch beide wissen die spezielle Atmosphäre hier zu schätzen. Sie sprechen von „unserer Firma, dem Netzwerk“, von den „Enthusiasten, die hier nichts verdienen und sich den Arsch aufreißen“, und sie wissen auch: „Wir brauchen nicht plötzlich was zu „leisten“, wir können zu Kitty Yo gehen und eine Platte machen, die uns gefällt“. So soll er sein, der Idealzustand zwischen Künstler und Label.

Ihr neues Album „Unter anderen Bedingungen als Liebe“ fanden sie nach Fertigstellung erst mal einfach nur „geil“. Daß sie jetzt unsicher sind hinsichtlich der ersten Resonanz („die Journalisten sagen ja nicht so richtig, was sie von dem Album halten“), bedeutet weniger mangelndes Selbstvertrauen als vielmehr das Wissen um die eigene, eigenartig exponierte Stellung im Musikbetrieb im allgemeinen, und die in Berlin im besonderen.

Bei der Veröffentlichung ihres ersten Albums „Kopflastig“ riefen Laub geteilte Reaktionen hervor. So gar nicht wollte ihre Musik passen in die frisch erblühten und smarten Berliner Club-, Galerie-, und Indiesounds: Schwierige Musik, interessante Musik, total nervige Sängerin, tolle Sängerin usw. usf. Gern hätten manche sie als deutsches TripHop-Duo in die Arme geschlossen, eine Sängerin, ein Soundbastler, Musik zum Träumen. Doch dafür hatten Greie-Fuchs und Kühn weder die passenden Sounds noch hielten sie sich an die in diesem Genre üblichen Arbeitsaufteilungen.

Zu ihren Beats konnte man nicht tanzen und auch nicht schön zu zweit ganz langsam die Hüften wiegen, die waren zu unruhig und unrhythmisch. Auch die Lyrics von Greie-Fuchs konnte man in Vortrag und Inhalt nicht einfach an sich vorbeiziehen lassen. Und Greie-Fuchs und Kühn arbeiteten immer zu zweit an den elektronisch generierten Laub-Sounds, in ihrem „Studio“ zu Hause wie auch live auf der Bühne. Mittlerweile ist zwar Sebastian Vogel von der Hamburger Postrockband Kante festes Mitglied von Laub, zuständig für die Drums, „den Zusammenhalt der Tracks und die Pop-Elemente“. Doch in erster Linie ist „Unter anderen Bedingungen als Liebe“ die konsequente Fortsetzung des bipolaren Musikmodells von Laub. (Bei ihrem anderen Projekt Tritop lassen sie nur Sounds sprechen, „die kann man dann einfach auch nur nebenbei hören“). „Rein musikalisch gesehen ist das Album wesentlich schlanker als das erste, es ist viel mehr Raum da für weniger Sounds.“ Sagt Kühn, und Greie-Fuchs ergänzt: „Es ist weniger effektlastig, es hat viel klarere Vocals, wir haben den Kern herausgestellt“.

Da mögen nun das stringente, fast tanzbare „Symbolisch“ und der schön ruhige, fast schläfrige, mit hübschen Gitarrenakkorden ausgestattete, fünfzehnminütige (!) Titelsong aus dem Album herausragen und von möglicherweise „neuen“ Laub künden: Der „Kern“ sind eben Stimme und Lyrics von Greie-Fuchs, live ihr tendenziell expressives Auftreten. „Widergefühlig“ heißt eines ihrer neuen Stücke, und der Ausdruck trifft es gut. Da will alles nicht recht zusammenpassen, da heißt es „so haste ich durchs Leben. mal eben so durch deines“. Oder: „Zwischen uns. der Mörder. du weißt. schon. ich lach. dich an. ich frier. in dir. zwischen uns“.

Punkt folgt da auf Punkt, was man albern finden mag, aber paßt: Abgehackt trägt sie ihre Lyrics stimmig zu den weiterhin oft stolpernden und gebrochenen Beats vor. Immer wieder Liebeslieder, widergefühlige, wenn man so will. Gefühle und Befindlichkeiten straight aus dem Innenleben von Greie-Fuchs. Explizite Statements zur Stimmungslage einer Generation möchte sie lieber nicht abgeben, auch nicht Privates politisch werden lassen. Entweder spiegelt sie mit ihren Stücken die Befindlichkeiten ihrer Zuhörer. Oder eben nicht. Basta.

„Sportlich“ wäre es, sagt Greie- Fuchs noch, wenn sich von dem neuen Album vielleicht das doppelte von den 2.000 von „Kopflastig“ verkaufen ließe. Auch Kitty Yo würde das natürlich freuen. Doch Verkaufszahlen hin, vielleicht mal ein Mini-Hit da: Laub sind einverstanden damit, zu polarisieren, Begeisterung zu erzeugen, genauso wie totale Ablehnung. Und die Band zu sein für ganz besondere Stunden und Auftritte. So wie es sich gehört.

Laub: „Unter anderen Bedingungen als Liebe“ (Kitty Yo/Efa). Live-Auftritt am 19.5. im Icon, Milan/Ecke Cantianstraße, Prenzlauer Berg