Nach kurzem Zwischenstopp weiter auf der Flucht

■ Vertriebene aus dem Kosovo sollen jetzt aus dem Norden Albaniens in andere Landesteile verlegt werden. Damit wollen Hilfsorganisationen in den übervollen Lagern Platz schaffen

Mit einer Gefährdung der Flüchtlinge begründen internationale Hilfsorganisationen in Albanien ihr Vorhaben, Zehntausende von Kosovaren aus der Stadt Kuke in andere Landesteile zu verlegen. Dies ist jedoch nur die halbe Wahrheit. In Wirklichkeit bemüht sich die UN-Flüchtlingsorganisation UNHCR bereits seit Wochen um einen Transfer. Denn die Flüchtlingslager in Kuke sind angesichts ständiger Neuzugänge vollkommen überbelegt.

Die in den Bergen nordöstlich Tiranas gelegene Stadt Kuke hatte vor dem Krieg im Kosovo 15.000 Einwohner. Entlang der von Schlaglöchern übersäten Hauptstraße gruppierten sich einige Straßenzeilen, ein Busbahnhof, und der Hauptplatz.

Die erste Welle von Vertriebenen, die noch vor dem Beginn der großen ethnischen Säuberungen in die Stadt kamen, wurden noch von albanischen Familien zu Hause aufgenommen. Seit dem 24. März wurden rund 300.000 Menschen durch die Stadt geschleust, ungefähr 100.000 sitzen in den die Stadt wie einen Ring umschließenden Flüchtlingslagern.

Das erste von der italienischen Armee errichtete Lager war schon nach zwei Tagen überfüllt, die deutsche Hilfsorganisation Cap Anamur baute ein zweites, andere Hilfsorganisationen zogen nach. Ein weiteres italienisches Lager entstand, und Saudi-Arabien baute eine Zeltstadt. Nur im griechischen Lager gab es Probleme. Denn die griechischen Mitarbeiter verschwanden einfach. Das Lager übernahm der UNHCR.

Seither versucht der UNHCR, die Aktivitäten der Hilfsorganisationen zu koordinieren. Das hat Konsequenzen. Das zweite italienische Lager hatte einen für die allgemeinen Verhältnisse gehobenen Standard: das Essen war ausreichend, die Zelte für Familien bis zu 20 Mitgliedern ausgelegt, es gab ein eigenes Hospital. Am vergangenen Sonntag hat das UNHCR das italienische Lager übernommen. Die Bedingungen verschlechterten sich. „Wir haben nicht soviel Geld, alle Lager mit dem Standard der Italiener auszustatten“, sagt Ray Wilkinson, Sprecher von UNHCR. „Zudem sollen ja die Leute in andere Landesteile verschickt werden.“

Viele im italienischen Lager weigerten sich in der letzten Woche, ihren Aufenthaltsort zu verlassen im Tausch gegen eine noch ungewisse Zukunft im Süden. Viele Vertriebene wollen auch in Kuke bleiben, weil sie hoffen, daß noch Verwandte über die Grenze kommen.

Die Lager müssen jedoch Kapazitäten für Neuankömmlinge haben. UNHCR rechnet mit weiteren Vertreibungen. Wenn sich die Vertriebenen dem Weitertransport verweigern, entsteht ein Problem. Da kommt das Argument mit der Sicherheit gerade recht. Bis jetzt haben schon jeden Morgen Dutzende von Bussen Kuke in Richtung Süden oder Küste verlassen. Ab jetzt werden es wohl Hunderte sein. Erich Rathfelder, Kuke