Balkan in die Hände der OSZE

■ In der Nachkriegszeit soll die OSZE die zentrale Rolle auf dem Balkan spielen, fordert der OSZE-Chef in Bosnien-Herzegowina, Robert Barry

Die Nato-Kampagne in Jugoslawien hat bereits viel getan, um die Kriegsmaschinerie von Slobodan Miloevic zu zerstückeln. Will die Allianz aber nachhaltigen politischen Wandel auf dem Balkan erreichen, braucht sie langfristige strategische Ziele. Unser Ziel sollte nicht nur Hilfe beim Wiederaufbau des Kosovo sein, sondern die Stabilisierung ganz Südosteuropas. Das wird eine bis dahin nicht gekannte Zusammenarbeit zwischen vielen europäischen Staaten erfordern, aber auch eine bedeutende Annäherung zwischen dem Westen und Rußland. Es muß aufgefordert werden, eine bedeutende Rolle in jedem Kosovo-Friedensplan zu spielen.

Wenn wir uns auf diese Aufgabe vorbereiten, müssen wir die Anstrengungen der internationalen Gemeinschaft umstrukturieren. Die Rückkehr der Flüchtlinge, Wahlen, Wirtschaftsreformen, der Aufbau von Institutionen – all das muß auf regionaler Ebene durchgeführt werden ... Wir können uns das gegenwärtige System nicht leisten, in dem die UNO, der Hohe Repräsentant für Bosnien-Herzegowina, die Nato, die EU, der Europäische Rat und Dutzend andere Organisationen miteinander konkurrieren, sich überschneiden und oft eine gegensätzliche Politik verfolgen.

Seit die OSZE die einzige internationale Organisation ist, die in der ganzen Region ein Mandat hat, sollte die OSZE diese dringend notwendige regionale Dimension abdecken. Sie sollte deshalb unter allen Organisationen die führende Rolle spielen. Die OSZE beinhaltet alle Hauptakteure – die USA, Kanada, die EU, die Russische Föderation und die Länder Zentral- und Osteuropas ...

In den vergangenen Jahren ist die OSZE in führende Positionen gedrängt worden, ohne ursprünglich dafür vorbereitet gewesen zu sein. In Dayton wurde der OSZE die Verantwortung für wesentliche Teile des Bosnien-Friedesabkommens übertragen. Die Organisation mußte stark kämpfen, um ihre erste große Mission ins Feld zu schicken. Als politische Unruhen 1997 Albanien in einen Bürgerkrieg zu stoßen drohten, suchte die Welt erneut Lösungen bei der OSZE ... Im vergangenen Oktober handelte Richard Holbrooke mit Miloevic ein Abkommen aus, das der OSZE die Verantwortung übertrug, die Aktivititäten der serbischen Polizei und Militärs zu überwachen ... Jedesmal wurde die OSZE gerufen, um einen Teil des Problems in Südosteuropa zu lösen.

Jetzt muß mit der Rückkehr der Flüchtlinge, Wirtschaftsreformen, Institutionenaufbau und militärischer Abrüstung im regionalen Kontext umgegangen werden. Deutschlands Außenminister Joschka Fischer hat vorgeschlagen, die OSZE solle eine Stabilitätskonferenz für Südosteuropa einberufen, wenn die Kampfhandlungen beendet sind und eine sicheres Umfeld für die Rückkehr der Flüchtlinge besteht.

Diese Konferenz muß die neue Rolle der OSZE in Südosteuropa definieren. Aber wenn das gemacht werden soll, muß sich die OSZE ändern – wir müssen ihre zentralen Institutionen stärken.

Gegenwärtig wird die Politik von einer rotierenden Troika von Außenministern gemacht. Dieses Verfahren ist nicht länger angemessen, wenn die OSZE eine stärkere regionale Rolle spielen soll. Der OSZE-Vorsitzende braucht eine stärkere rechte Hand, die die Missionen vor Ort dazu bringt, zusammenzuarbeiten und mit Staatschefs zu verhandeln. Es sollte der Posten des Hochkommissars für Südosteuropa geschaffen werden, um dafür zu sorgen, daß die OSZE-Missionen, die internationalen Agenturen und Regierungen bei der Lösung regionaler Fragen zusammenarbeiten.

Für diesen Job sind viele Politiker qualifiziert. Einer ist Carl Bildt, der frühere schwedische Ministerpräsident und Hohe Repräsentant für Bosnien-Herzgowina, der richtigerweise die Notwendigkeit betont hat, daß mit den Problemen der Region als Ganzes umgegangen werden muß. Aber auch der „richtige“ Russe könnte viel für solch einen Job mitbringen. Wir müssen Rußland innerhalb eines klar definierten Rahmens stärker in die regionale Diplomatie einbinden. Rußland unterstützt die OSZE als Instrument seiner Wahl in Zentral- und Osteuropa sowie Eurasien. Wir hoffen, daß Rußland eine wichtige Rolle bei militärischen Sicherheitsoperationen im Kosovo spielen wird, aber es muß sich auch an der zivilen Umsetzung beteiligen. Wir brauchen Moskau für den Umgang mit Serbien nach Abschluß der Nato-Operationen. Rußland muß dann aber klarstellen, daß es mit den Gesamtzielen des Westens für die Region übereinstimmt; es müßte auch seine Unterstützung für andere Miloevic in der Welt fallenlassen ... Der „richtige“ Russe könnte jemand wie der frühere Außenminister Andrej Kosyrew sein. Es gibt viele fähige, international respektierte Russen mit umfassender Erfahrung ...

Zusätzlich zu einem Hochkommissar sollte die Präsenz der OSZE in der Region restrukturiert werden. Die Mission in Bosnien-Herzegowina sollte mit dem Büro des Hohen Repräsentanten unter prominenter Führung mit der im Dayton-Abkommen vorgesehenen breiten Machtfülle verschmolzen werden. Dies ermöglicht einen stärkeren Fokus der internationalen Bemühungen zu geringeren Kosten. Eine neue Jugoslawien-Mission der OSZE wird die schwere Aufgabe des Wiederaufbaus, der Rückkehr der Flüchtlinge und der politischen Stabilisierung haben – nicht nur im Kosovo, sondern auch in Montenegro, im muslimischen Sandjak und in Serbien. Makedonien braucht eine stärkere OSZE-Mission mit neuem Mandat. Die bereits bestehenden Missionen in Kroatien und Albanien müssen neue Aufgaben gemäß dem neuen Ansatz der regionalen Problemlösung übernehmen ... Robert Barry