Ursuppe im Hirn

■ Ex-RAFler Horst Mahler sprach vor Burschenschaftlern

Eskortiert von drei Polizeimannschaftswagen, die er als ehemaliges RAF-Mitglied zusammen mit dem verhaßten Schweinesystem dereinst wahrscheinlich gerne weggebombt hätte, kommt Horst Mahler in die Studentenstadt Marburg. Der Polizeischutz ist nötig, denn an der Universität kursierende Flugblätter hatten zur Verhinderung des Vortrags aufgerufen, den Mahler vor der Burschenschaft Rheinfranken dann allerdings ungestört halten kann. Zwei zeitgleiche Veranstaltungen zum Jugoslawienkrieg interessieren die studentische Klientel mehr.

Doch auch von Mahler erfahren die mit Mütze, Band und Schlips ausstaffierten Korporierten im vollbesetzten Rheinfrankensaal einiges über den Balkankrieg. Mahler ist gegen den Nato-Einsatz und führt Gründe an, die bei vielen seiner Zuhörer Zustimmung finden: „Wir sind in Gefahr, als Volk unterzugehen“, sagte der Verfasser des Konzepts Stadtguerilla der RAF, der seit 1988 wieder als Anwalt in Berlin arbeitet. Doch Berlin sei „keine deutsche Stadt mehr“. Und auch im Rest des – so Mahlers oft gebrauchte Bezeichnung - „Deutschen Reichs“ sieht es übel aus: Türken, wo man auch hinschaut. „Diese türkische Minderheit“, weiß Mahler, „ist durch die sehr viel größere Fruchtbarkeit dieser Völkerschaften tendenziell die Mehrheit – wir als Deutsche in Deutschland in der Minderheit.“ Und weil er weiß, „wie wütend die Leute sind“, daß die Türken sich breitmachen, warnt Mahler, der vor kurzem auch auf einem NPD-Parteitag auftrat, vor der drohenden „Umvolkung“ und „jugoslawischen Verhältnissen“.

Denn die Nato wolle Rußland von Europa isolieren, „Deutschland niederhalten“ und mit der „Einpflanzung fremdkultureller Völker“ letztlich „ethnische Konflikte schaffen, um einzugreifen“. Nach „rassischen Ausschreitungen“ seien Nato-Einsätze „in Magdeburg, Schwedt und Frankfurt an der Oder“ denkbar. Man sieht die Schlagzeile schon vor sich: Nato bombardiert ostdeutsche Neonazis – eine sympathische, aber abstruse Vorstellung. Doch Mahler meint es ernst.

Um einen Bürgerkrieg im Osten zu vermeiden, müßten Kriegsflüchtlinge zwar aufgenommen werden, dafür aber diejenigen „Platz machen, die hier als Gäste sind: Und das ist die türkische Minderheit.“ Und wer seine Warnung vor dem ostdeutschen Balkan als ausländerfeindlich diffamiere, wolle, „daß das deutsche Volk ausgelöscht wird“. Wie 1968 die kommunistischen Studenten seien es heute die „national Gesinnten, die diffamiert werden“, verkündet Mahler und bemüht einen anderen Moralkeulen-Kritiker: „Martin Walser hat hier einen entscheidenden Vorstoß gemacht, den darf man nicht alleine lassen!“

Und überhaupt: Das nun rot-grün regierte „Deutsche Reich“ leidet nach Mahler unter der „raffiniertesten Besetzungsmacht, die es gibt“ – den Vereinigten Staaten. Von Amerika aus lenkten „einige Dutzend Spekulanten“ die Geschicke „wie eine Krake, die die Welt umschlingt“. Daß Mahler hier das antisemitische Bild der jüdischen Weltverschwörung bedient, weist er natürlich weit zurück. Er habe nichts gegen Juden. Unter den Spekulanten gebe es eben nur viele.

Das ist die neue Mischung des Ex-RAFlers: sozialistische Klänge gepaart mit Antisemitismus und einem völkischen Haß auf andere Kulturen. „In dem Versuch der Nationalsozialisten, das kapitalistische System durch Volksgemeinschaft zu überwinden, lag mehr als im kollektivistischen Ansatz“, so Mahler. Er setzt auf Ostdeutschland. Hier erwartet der ehemalige Stadtguerillakämpfer den Ausbruch „rassischer Konflikte“ und den Zusammenbruch der Wirtschaft. „Auf uns wartet das Chaos – Ursuppe, aus der unser Volk in neuer Gestalt hervorgeht.“ Was Mahler dann vorschwebt, ist ein nationaler Sozialismus. „Wenn Hitler von raffendem Kapital spricht, hat er etwas Richtiges gesagt.“ Um sein nationalsozialistisches Konzept zu verwirklichen, sei die PDS eine „nicht zu vernachlässigende Kraft“, da es innerhalb der Partei Gruppen gebe, „die die nationale Frage sehr in den Vordergrund stellen“.

Auch dem Krieg kann Mahler eine positive Seite abgewinnen, denn „der Balkankrieg wird die Frage der Nation in den Vordergrund stellen“. Nationalismus sei immer „die Sache“ der Linken gewesen. Ihm sei es 68 darum gegangen, „dieser Kollektivschuldthese zu entkommen“, so Mahler. „Man wollte Deutscher sein – aber einer von den anständigen Deutschen.“ Nie wieder Deutschland: „Das wäre uns 68 nicht eingefallen“, wundert er sich, „wie kann man als junger Deutscher so etwas skandieren?“ Unverständnis, Gesinnungsterror und Türken überall.

Und diffamiert wird er: Der arme Mahler „steht als Faschist da, als blanker Nazi“. Und genau das ist er auch. Wirklich schade, daß es damals Benno Ohnesorg und Rudi Dutschke getroffen hat.

Matthias Thieme