Normalität ins Abnorme bringen

Kosovo-Krieg: Hamburger DRK-Mitarbeiter Georg Kamp berichtet über seine drei Wochen in albanischen Flüchtlingslagern  ■ Von Elke Spanner

Backpulver. Erbsen. Speiseöl. Zucker, Mehl. Nudeln. Und für den täglichen Kalorienbedarf gibt es Proteinkekse, zwei Stück pro Person, streng rationiert. Als Erstverpflegung für alle, die die Grenze vom Kosovo nach Albanien oder Mazedonien überschritten haben. Und danach in einer Region ausharren, in die Hilfslieferungen ausländischer Organisationen gelangen. Als einer der ersten der aus den Krisengebieten Zurückgekehrten berichtete gestern Georg Kamp vom Hamburger Landesverband des DRK von seinen Beobachtungen vor Ort.

Kamp ist vor drei Wochen mit dem Auftrag ins albanische Tirana geflogen, dort die humanitäre Lage der Kosovo-Flüchtlinge zu erkunden: Ihre Unterkunft, Gesundheitsversorgung, Lebensmittelverpflegung. Sofort reiste er weiter nach Kukes, denn dieser Bezirk ist das größte Sammelbecken für AlbanerInnen aus dem Kosovo – und eine der ärmsten Regionen Europas. Dort leben die Flüchtlinge nicht nur in Zeltlagern, die notdürftig von Hilfsorganisationen eingerichtet wurden, sondern vor allem über die kleinen Dörfer verteilt in Familien, die selbst nur das nötigste zum Leben haben.

„Das wenige teilen sie bereitwillig mit den Flüchtlingen“, ist Kamp beeindruckt. 20 Menschen in einer Zwei-Zimmerwohnung, ohne fließendes Wasser, ohne Strom – in Albanien derzeit eine Selbstverständlichkeit. Die Familien in ihrer Hilfsbereitschaft zu unterstützen, sei dringend erforderlich, mahnt Kamp an: „Mit Lebensmittelpaketen und mit Geld“.

In den Camps sei die Grundversorgung inzwischen gesichert, wobei man das „in einer derart chaotischen Lage alle drei Tage neu überprüfen muß“. Hier hat Kamp dem Bundesverband des DRK empfohlen, in einer zweiten Phase nun psychosoziale Betreuung für die Flüchtlinge zu organisieren: „Wir müssen in die abnorme Situation Normalität bringen“.

Aus Hamburg sind noch vier Rotkreuz-HelferInnen in Mazedonien und Albanien. Zwei sind damit befaßt, die Hilfsgüter vor Ort zu verteilen. Die beiden anderen kümmern sich insbesondere um die Trinkwasseraufbereitung und versuchen, ein Kommunikationsnetz aufzubauen. Das soll ermöglichen, Vermißte aufzuspüren. Viele Flüchtlinge hätten auf ihrer Flucht Angehörige verloren. „Vor allem in Mazedonien leben Hunderte unbegleiteter Kinder“, sagt Kamp. Auf dem Hamburger Wohnschiff „Bibba Altona“, auf dem Kosovo-Flüchtlinge untergebracht sind, hat das DRK bereits eine „Flüchtlingskartei“ aufgebaut.

Albanien hat inzwischen mehrere hunderttausend Flüchtlinge aufgenommen. „Würden wir das ins Verhältnis zur Größe Deutschlands setzen, müßten weit über vier Millionen Menschen zu uns kommen“, hat DRK-Sprecher Bernt Edelhoff errechnet. Hamburg hat 260 Flüchtlinge aufgenommen.