Kirche fordert „Beendigung der Gewalt“ auf dem Balkan

■ Landessynode der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg ruft Bundesregierung zu stärkerem Einsatz für Frieden in Jugoslawien auf. Bischof Huber relativiert anfängliche Zustimmung zum Nato-Bombardement

Eigentlich sollte es vor allem um „Leitlinien kirchlichen Handelns in missionarischer Situation“ gehen – doch tatsächlich bestimmte der Krieg im Kosovo alles: Die Frühjahrssynode der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg am Wochenende im Wedding stand ganz im Zeichen der Auseinandersetzung um das Nato-Bombardement auf jugoslawische Städte. Am Ende stand ein für synodale Verhältnisse deutlicher Appell an die Bundesregierung, sie solle sich „weiterhin und verstärkt für die Beendigung der Gewalt in Jugoslawien“ einsetzen. „Krieg soll nach Gottes Willen nicht sein“, betonten die Protestanten.

Die rund 200 Delegierten aus 41 Kirchenkreisen hatten zu Beginn der mehrtägigen Tagung im Diakoniewerk Lazarus mit gewisser Spannung das „Bischofswort“ erwartet, das Eröffnungsreferat des Landesbischofs Wolfgang Huber. Hintergrund war eine Stellungnahme Hubers zu Beginn des Nato-Einsatzes Ende März gewesen. Darin hatte er recht eindeutig Verständnis für das Vorgehen des westlichen Bündnisses signalisiert, da „alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft“ worden seien. „Nichts zu tun“ hätte bedeutet, „an tausenden Menschen im Kosovo schuldig zu werden“.

Huber unterstrich nun in seinem Wort zum Synodenbeginn, man sei „von tiefem Zweifel daran erfüllt, ob Kriegseinsätze der Nato gegen das, was im Kosovo geschieht, ein geeignetes und vertretbares Mittel sind“. Er erinnerte daran, daß die deutsche Evangelische Kirche schon 1994 Bedingungen für eine mögliche Rechtfertigung einer Militäraktion zu humanitären Zwecken verabschiedet hatte: „Gemessen an diesen Maßstäben leidet die Nato-Intervention in Jugoslawien unter einem großen Legitimationsdefizit.“

Obwohl der Bischof also schon deutlich die Akzente verschoben hatte, blieb das Bombardement Gegenstand einer heftigen Debatte im Plenum – auch weil radikal-pazifistische Positionen seit DDR-Zeiten in ostdeutschen Gemeinden eine Tradition haben. Gut ein Dutzend Änderungsanträge gab es zum Bischofswort, erst die zweite Vorlage fand eine Mehrheit.

Ähnlich lebhaft waren die Diskussionen über eine von mehreren Kirchenmitgliedern verfaßte Erklärung zur „Neuen Nato-Strategie“: ein Diskussionspapier, das schon Anfang des Jahres veröffentlicht worden war und nur zufällig zeitlich mit dem Einsatz der Militärallianz in Jugoslawien zusammenfiel. Das Kirchenparlament forderte „von den politisch Verantwortlichen eine rasche und umfassende öffentliche Information über die geplante Strategie“, die unter anderem Einsätze der Bundeswehr außerhalb des Bündnisgebiets ermöglichen soll.

Landespolitisch brisanter dürfte jedoch das Votum der Kirchenparlamentarier gegen einen Modellversuch „islamische Religionskunde“ als staatliches Unterrichtsfach an den Schulen der Hauptstadt sein. Die Synode bekräftigte damit die Position, die Huber schon mehrfach geäußert hatte. Die Christen kritisierten zudem „problematische Abschiebungen“ junger Flüchtlinge aus Berlin: Minderjährige würden in völlig ungesicherte Verhältnisse ins Heimatland abgeschoben. Doch ob Schul- oder Flüchtlingspolitik: Angesichts des Krieges wurden diese Themen einfach zur Seite gedrängt. Philipp Gessler