Das Portrait
: Tokios rechter Neinsager

■ Shintaro Ishihara

In Japan sind Politiker, die mit markigen Sprüchen um sich werfen, an einer Hand abzuzählen. Fast ausnahmslos gehören sie zum rechten Flügel der regierenden Liberal-Demokratischen Partei (LDP) und vertreten eine zutiefst nationalistische Gesinnung. Shintaro Ishihara, der am Wochenende zum Gouverneuer von Tokio gewählt wurde, ist einer dieser Sprücheklopfer. International bekannt wurde der 66jährige ehemalige Transportminister und Autor mit dem Bestseller „Japan, das nein sagen kann“. Gemeinsam mit Sony-Gründer Akio Morita kritisierte Ishihara vor zwölf Jahren den „american way of life“ und sagte Japans Aufstieg zur Weltmacht voraus.

Leider begann kurz nach Erscheinen des Buchs Japans Abstieg in eine der tiefsten Rezessionen seit dem Zweiten Weltkrieg. Ähnlich erging es Ishihara mit einem zweiten Buch, das er 1995 zusammen mit Malaysias Premierminister Mahathir Mohamad schrieb. Während die beiden in „Asien, das nein sagen kann“ den Abstieg und moralischen Verfall des Westens prognostizierten, begann bald die Asienkrise.

Symbolisch für den Fall des ehemals gelobten Wirtschaftsmodells ist die Zwölf- Millionen-Stadt Tokio, die Ishihara nun lenken soll. In den Parks campiert das wachsende Heer der Obdachlosen. Fahrbare Suppenküchen geben Mittagessen vor Arbeitsämtern aus, worüber die internationale Presse süffisant berichtet. Dies läßt einem stolzen rechtsgerichteten Politiker das Blut in den Kopf schießen.

„Ein Tokio, das nein sagen kann“, verkündete Ishihara polternd und klopfte Sprüche auf Stammtischniveau. Ishihara stach so spielend seine 18 Widersacher aus, darunter den LDP-Kandidaten und ehemaligen UN-Peacekeeper im Balkan, Yasushi Akashi. Nach vier Jahren unter der Herrschaft des ehemaligen Fernsehkomikers Yukio Aoshima gaben die Wähler ihre Stimme einem Mann, der sich als starker Führer verkaufte.

Ishihara tritt ein schweres Amt an. Tokio steht vor dem Konkurs. Die Stadt wird in diesem Jahr ein Defizit von 620 Milliarden Yen ausweisen und ächzt unter einem Schuldenberg von sieben Billionen Yen. Will Ishihara die Pleite verhindern, dann muß er ein Viertel der 190.000 städtischen Beamten feuern und womöglich Dienstleistungen wie die Müllabfuhr privatisieren. Das sind heiße Eisen für einen japanischen Politiker. André Kunz