Rosarote Brille

Die schöne Party als notwendige Zeremonie: Ihre Majestät Jimi Tenor hielt am Mittwoch abend im Mojo Club Hof  ■ Von Claude Jansen

Finnen haben blondes Zottelhaar, sagen Dinge wie „hyvää iltaa“, trinken mehr Schnaps als irgendein anderes Volk auf dieser Welt, sind manisch depressiv und zählen zu den eifrigsten Handy-Benutzern auf dem gesamten Erdball. Die spinnen die Finnen. Nur einer nicht: Jimi Tenor.

Der in Barcelona lebende Schneekönig, der gerne verträumt durch virtuelle Palmenlandschaften wandelt, scheint seit seinem letzten Album, Organism, in neue Bewußtseinsebenen gelangt zu sein. Ob durch eine neue Liebe, durch plötzlich erlebte Religiosität oder einfach nur vom vielen Saufen, spielt keine Rolle. Die Hauptsache ist, daß wir mit ihm das Jahr der Apokalypse zelebrieren dürfen, und zu diesem Zweck traf man sich gestern live im Mojo Club. Daß dazu ein aufwendig inszenierter Auftritt vom Meister persönlich gehört, versteht sich von selbst. Umhüllt mit einem drei Meter langen Umhang, dessen schwarze Paillettenstickereien im Scheinwerfericht funkelten, schritt er durch sein Publikum. Natürlich durfte das Zeichen königlicher Erhabenheit nicht fehlen. Auf dem Kopf, oder besser gesagt: über der monströsen Sonnenbrille, saß ein Kronen-Hut mit aufwendigen, goldenen Verzierungen.

Doch damit nicht genug. Als Krönung des Verkleidung-Spielchens ragte eine pinkfarbene Tüllschleppe, wie leicht wallende Hirnmasse, aus dem Deckel der Kopfbedeckung. Das lange Rätselraten um das, was sich wirklich hinter der schizoiden Persönlichkeit des Jimi Tenor verbirgt, wird damit endlich aufgeklärt: Er ist der rosarote Panther.

Da stand er nun, wie sein gezeichnetes Vorbild und malte sich seine eigene Welt, rosarot auf rosarot. So begann logischerweise der Abend mit „Year of the Apocalypse“, in dessen Refrain die schöne Party zum notwendigen Ereignis erklärt wird. Schließlich feiert es sich vor dem Weltuntergang am ausgelassensten. Wer Hysterie erwartet hatte, wurde enttäuscht. Jimi Tenors Party verlief im Gestus cooler Entspanntheit. Zu Songs wie „My Mind“ wurde feierlich ein Glas Sekt serviert. Dazu leuchteten rote Sonnenuntergänge hinter Palmen. Hin und wieder kamen zwei Bläser zum Einsatz, während Jimi, der mittlerweile sein schwarzes Cape abgelegt hatte, lässig den Sampler bediente oder ruhig hinter seiner meterhohen Orgel saß. Dazu scratchte der DJ nebenbei mit dem Ellenbogen, als wäre er unbeobachtet. Man prostete sich zu, lächelte kurz. Nur gelegentlich wurde gerockt. Das übernahm der japanische Gitarrist, der, so skinny und besessen wie Sid Vicious, kräftig Krach machen durfte.

Eine kleine Offenbarung, musikalisch und fürs Herz. Auch wenn 1999 noch nicht fertig ist, so zählt Organism wohl zu den schönsten und wichtigsten Ereignissen des Jahres.