Nager auf Kriegsbombern

■ Eine Ausstellung in der Galerie im Körnerpark zeigt Micky Maus als Comic zwischen Kitschartikel und Propagandatier

„Ich bin jugendfrei und künstlerisch wertvoll und wirke daher steuerermäßigend“, warb Anfang der dreißiger Jahre eine Maus aus Amerika um die Gunst deutscher Kinobesitzer. „Micky, das Tonfilm-Wunder“ setzte 1930 zum Sprung auf den europäischen Markt an, in der Weimarer Republik wurde sie ein Renner.

In einer Ausstellung wird dieser Weg nun nachgezeichnet. 400 Exponate – von Micky-Nähnadeletuis bis zum bedruckten Rosenthal-Porzellan – zeigen die ersten Jahre der Maus und: „Wie Micky unter die Nazis fiel“, so der Titel des begleitenden Ausstellungsbandes von Carsten Laqua.

Bis zu fünfmal täglich zeigten die Lichtspielhäuser in der Nazizeit die 50 Trickfilme, die die Filmprüfstelle des Deutschen Reiches passierten. Und Micky Maus bereitete auch den Boden für die anderen Disney-Klassiker. Nach dem kurz darauf folgenden Siegeszug von „Schneewittchen“ hatte der Disney-Konzern schon über 1.000 Mitarbeiter in den USA.

Aus Deutschland wurde Micky schließlich nicht durch nationalsozialistische Volkstumsideologie verbannt, sondern durch verschärfte Devisenausfuhrbestimmungen. Die Nazis ließen Disneys Geschöpfe gewähren, abgesehen von einiger diffamierender Propaganda („Micky Maus ist geisteskrank.“), bot der Mäuserich noch in den ersten Kriegsjahren willkommene Zerstreuung. Auch Adolf Hitler, von seinem Propagandaminister zu Weihnachten mit 18 Micky-Maus-Filmen beschenkt, amüsierte sich. Erst mit dem Kriegseintritt der USA 1941 war Schluß mit lustig. Die Maus-Filme wurden verboten, lediglich dilettantisch nachgemalte Nager zierten ab und an die Rümpfe deutscher Bomber.

Dafür kamen den Disney-Geschöpfen in ihrem Heimatland nun neue Aufgaben zu. 1941 begann Disney, dessen Studios mit dem Verlust des europäischen Absatzmarktes vor dem Ruin standen, mit der Herstellung von Propagandafilmen. Die machten ein Jahr später bereits über 90 Prozent der Produktion aus. Von Streifen wie „Der Fuehrers Face“ über Anleitungsfilme zum Umgang mit Waffen bis hin zu Emblemen für Truppenverbände. Im Propagandafilm „The New Spirit“ erhöhte ein patriotischer Donald Duck die Bereitschaft der Amerikaner, höhere Kriegssteuern zu zahlen. Disney rettete seine Bilanz und bewahrte seine Belegschaft, die nun „kriegswichtig“ geworden war, vor dem Einsatz an der Front.

Mit der Machtergreifung der Nazis führte der Disney-Konzern, der sich über fremdpropagandistische und schlecht kopierte Micky Mäuse ärgerte, Standards zur Überwachung der Einheitlichkeit der Charaktere ein, die bis heute gelten, lange bevor 1951 der Start derMicky-Maus-Hefte Deutschland zu einem der wichtigsten Absatzmärkte für Disney machte. „Die Zeit, in der sich Micky dem Leben zugewandt zeigte“, kommentiert dies die Ausstellung, „war somit wohl für alle Zeiten vorbei.“ Christoph Rasch Noch bis 13. Juni, Galerie im Körnerpark, Schierker Str. 8, Di. – So.: 12 – 18 Uhr