„Und du machst dein Diplom, Heidi“

■ Studieren mit Kind: Die Mütter an der Bremer Uni kämpfen immer noch mit der Dreifachbelastung Job, Studium und Kind

Sabine Roß-Kunert hat einen Feuerwehrbeamten zum Manne und ist eine ausgesprochen Fröhliche. Trotzdem müssen wir an dieser Stelle leider das Praktische in ihrem Leben hervorkehren. Geht es hier doch um die Frage, wie so eine dreißigjährige Frau mit Pferdeschwanz, Tochter und Feuerwehrmann ihr Uni-Leben in den Griff kriegt. Montag morgen: Aufstehen mit Celin-Sophie (ohne „e“: Der Feuerwehrmann hatte Angst, daß die Oma sonst immer Zeline sagt) und ab in den Kindergarten. Mutter Heidi, die neben Sabine Roß-Kunert steht, sagt dazu: „Zu diesem Zeitpunkt holt man erstmal tief Luft und startet von neuem durch.“

Sabine Roß startet wahrscheinlich ohne Luftholen. Ab in die Uni-Bibliothek. Die ist gleich vis à vis, denn wir befinden uns hier in der Uni-Kita-Bremen mitten im Zentralbereich der scheußlichsten Uni Europas. Also: Ab in die Bibliothek, bis um halb Eins Jurisprudenz büffeln, dann in die Stadt. Sabine Roß hat einen dufte Job. Durchläuft sie doch, wie viele Mütter in dieser Kita (denen man an so einem Nachmittag um halb vier über wassertragende Kinder hinweg entgegenstolpert) an der Uni schon ihren zweiten Bildungsweg.

Speditionskauffrau war ihr erster, und mittags geht sie heutzutage noch zurück in dieses Leben und macht zwei Stunden täglich Versicherungsrecht in einer Bremer Spedition. Auch als zweite Fliege mit einer Klappe: „Man braucht als Studentin heutzutage doch den praktischen Bezug.“

So praktisch also denkt Sabine Roß-Kunert und hat mit den anderen Müttern hier einen Terminplan fürs Kindabholen, denn bis vier Uhr schafft sie's dann doch nicht immer zurück. Jetzt aber kommt erstmal Celin-Sophie angepest und ruft was dringliches. „Zu Hause ist Spielen angesagt“, erklärt Mutter Sabine – aber Celin-Sophie ruft wirklich was sehr dringliches. „Jaha!? Es kommt auf die Qualität, nicht die Quantität des Spielens an ... Zieh dir die Jacke aus, die Hose runter, da ist das Klo.“ Mutter Sabine geht in die Knie, zieht ihr die Jacke aus und die Hose runter, schiebt Celin-Sophie rüber zum Klo. „Manche Eltern machen während des Spielens ja auch noch den Haushalt.“

Sabine Roß-Kunert hingegen saugt und wischt, wenn Sophie-Celin im Bett ist, die Wäsche läßt sie liegen, bis es nichts mehr anzuziehen gibt (“So sieht es bei uns aber auch aus!“) und – „Fertig?! Kannst du bitte im Klo bleiben, bis du abgewischt hast?“ – und gegessen wird in der Kita und in der Mensa – „In welchem Klo warst du denn?“

Während Sabine Roß-Kunert also jetzt das Kinderklo suchen geht, lassen wir lieber noch Heidi Kriete zu Wort kommen und fragen sie: „Was leidet unter der Doppelbelastung als studierende und mitverdienende Mutter: Das Studium, die Arbeit oder das Kind?“ Die 35jährige Frau guckt durch den Reporter hindurch auf Sie, den/die Leser/In und sagt: „Die Mutter.“ So ist Heidi Kriete für uns also die Politische. 700 Mark kostete die Tagesmutter für ihren dreijährigen Lukas, das war auf die Dauer nicht bezahlbar. Extra-Bafög? Nix da – nicht wenn man bei der Geburt schon im 10. Semester ist – „ansonsten kriegt man ein Semester mehr für die Geburt finanziert“, lacht die Mikrobiologin minimalistisch und einen Tip hat sie auch für den, der's genauer wissen will: Die Broschüre „Studieren mit Kind“ (die gibt es bei der zentralen Kommission für Frauenfragen an der Bremer Uni, GW2, Raum 4721).

Wer also leidet? Die Frau. Ihr Mann arbeitet in der Gastronomie und „ich bin diejenige, die zurücksteckt, weil: Ich bin flexibler.“ Dafür gibt's in ihrer Kita tagtäglich das lebenssprühende Beispiel. Frank, der Gewinner, der Sympathieträger, der Chauvi. „Heidi war in meinem Erstsemesterseminar“, strahlt er. Ein schönes Beispiel: Sie steht kurz vor dem Diplom. Er hat eine Promotionsstelle. Sie hat einen Vollzeitarbeiter zum Mann und er hatte eine Vollzeitmutter zur Frau. Und selbst von der Belastung hat er noch profitiert: „Das war schon positiv mit dem Kind. Ich hab' einfach schnell gemacht, daß ich fertig werde. Und weil's so schnell ging, war gerade die Doktorandenstelle da, als ich soweit war“.

So gemein ist das Leben. Aber jetzt ist er „privilegiert“, sagt Frank Klimek, der nette Chauvi, mit seiner Halbtagsstelle als Doktorand kann er sich mehr um seine Tochter Lotta kümmern und jetzt beginnt auch Silke, seine Frau, mit ihrer Lehre als Schneiderin am Goethetheater. „und du machst dein Diplom zu Ende, Heidi!“ – „Ja, mach ich.“ ritz

Kontakt Uni-Kita: Tel.: 212 310