Verfassungsschutzbericht vorgelegt

■ Es gibt mehr Rechtsextremisten; die Anzahl ihrer Straf- und Gewalttaten ist hingegen gesunken. PDS wird weiter beobachtet

Bonn (taz) – Der Verfassungsschutz hat im vergangenen Jahr 53.600 rechtsextreme Personen in Deutschland gezählt. Das sind elf Prozent mehr als 1997. Die Straftaten mit rechtsextremistischem Hintergrund sind dagegen gesunken, um 5,7 Prozent auf 11.049.

Gestern legte Innenminister Schily (SPD) in Bonn den Verfassungsschutzbericht für das Jahr 1998 vor. Danach sind vor allem rechte Gewalttaten zurückgegangen. 708mal haben Skinheads, Neonazis und rechte Mitläufer andere Menschen verprügelt, in zehn Fällen sogar versucht zu töten, Häuser in Brand gesteckt oder Landfriedensbruch begangen. Im Jahr davor mußten noch 790 Gewalttaten dieser Art in die Statistik aufgenommen werden.

Die Hälfte aller rechten Straftaten konzentrierte sich auf die neuen Bundesländer mit einem Bevölkerungsanteil von 19 Prozent. Darunter fällt etwa die Verbreitung rechtsextremistischen Gedankengutes über das Internet, Tonträger wie CDs, Audio- oder Videokassetten. Im Internet verdoppelte sich 1998 die Zahl der rechten Homepages auf rund 200. Abgenommen hat auch die Gewalt von links. Nur noch 783 Fälle sind aktenkundig. 1997 waren es 833. Ein Drittel der Gewalttaten richtete sich gegen Aktivisten aus dem rechten Lager. Rund 34.700 Personen werden dem linksextremen Spektrum zugeordnet. Insgesamt gingen 1998 3.201 Straftaten, meist im Zusammenhang mit verbotenen Demonstrationen, auf ihr Konto – 3,9 Prozent mehr als im Jahr davor.

Unter die Rubrik „Linksextremismus“ fällt im Verfassungsschutzbericht weiterhin die PDS. Zwar werde von seiten des Bundes nicht mehr mit nachrichtendienstlichen Mitteln gegen die Partei vorgegangen, sagte Innenminister Schily. Dennoch werde der Verfassungsschutz die PDS weiter beobachten.

Schily erklärte, die PDS sei eine facettenreiche Partei. In ihr gebe es Teile, welche die freiheitlich demokratische Grundordnung der Bundesrepublik in Frage stellten. Allein der „Kommunistischen Plattform“ innerhalb der PDS werden vom Verfassungsschutz rund 2.000 Personen zugerechnet. Um 47 Prozent stiegen die Straftaten ausländischer Extremisten in Deutschland, obwohl von dieser Seite Gewalttaten um 18 Prozent zurückgingen. Der enorme Zuwachs sei vor allem durch Verstöße gegen das Betätigungsverbot etwa der PKK zu erklären, sagte Schily.

Keinen ausschlaggebenden Erfolg konnten die rechtsextremen Parteien DVU, NPD und „Republikaner“ verbuchen. Die Landtagswahl in Sachsen-Anhalt, bei der die DVU über zwölf Prozent der Stimmen holte, sei ein Einzelfall, sagte Schily. Sämtliche Bündnisbestrebungen rechter Parteien hätten nicht gefruchtet. Allerdings konnten die Parteien zum Teil einen erheblichen Mitgliederzuwachs in den neuen Ländern verbuchen. 8.200 Personen werden der rechts-militanten Szene zugeordnet.

Weiter unter Beobachtung steht die Scientology-Sekte. Hier lägen „tatsächliche Anhaltspunkte“ vor, die auf verfassungsfeindliche Bestrebungen hinwiesen, heißt es in dem Bericht. Thorsten Denkler