Der Chor im Bus und die sabbernde Postlerin    ■ Von Andreas Milk

Weil die wenigsten Menschen gern klatschnaß und durchgefroren in einen Bus steigen, hat das Verkehrsunternehmen unserer Stadt an ausgewählten Haltepunkten Wartehäuschen errichtet, mit gläsernen Wänden und einem Dach. Ob der gewünschte Effekt – Kunden zu gewinnen nämlich – auch eintritt, sei dahingestellt. Auf jeden Fall ist es in den Bussen nun trockener.

Man stehe eben im Wettbewerb mit dem Auto, heißt es dazu aus der Unternehmensleitung. Neu im Angebot sind sogenannte „Theaterfahrten“. Konkret sah das auf der Route Kamen – Unna kürzlich so aus, daß ein Herr von seinem Platz aus jene zusteigenden Fahrgäste beschimpfte, die das Geld fürs Ticket nicht passend hatten und also die Weiterreise verzögerten; eine Dame gegenüber erfüllte die Funktion des Brechtschen Chores („Die machen alle, was sie wollen! Schneller da vorne! Schneller da vorne!“). Später hörte ich, daß der Begriff „Theaterfahrten“ etwas völlig anderes bedeutet, nämlich Ausflüge zur Bochumer „Comödie“ des Schauspielers Jochen Schroeder inklusive Eintritt.

Schroeder war früher Zivi in der „Schwarzwaldklinik“, und für den Fall, daß er diesen Text in die Hände kriegt, seien ihm zwei Passagiere der Linie R  81 zur Weiterbehandlung empfohlen. Keine Ursache. Oha. Eigentlich wollte ich mich mit Effizienz und Attraktivität von Dienstleistungen befassen. Statt dessen schweifte ich ab. Oder heißt es „schwiff ...“? (Da, ich tu's schon wieder.) Aber beklagen Sie sich bloß nicht. Sie hätten ja – zum Beispiel – den Comic auf dieser Seite angucken können. Oder den Wetterbericht lesen. Wenn Sie in einer Postfiliale Marken kaufen oder ein Paket aufgeben wollen, haben Sie eine solche Wahl nicht.

Die Post hat die Zentrale Warteschlange eingeführt, ähnlich dem Check-in-Verfahren am Flughafen – wer vorn ankommt, hat den nächsten freiwerdenden Schalter aufzusuchen. Gängelei unter dem Deckmantel der Gerechtigkeit, jahrelange gezielte Beobachtung für die Katz: Wozu, bitte schön, hat unsereins denn in mühevoller Feldforschung recherchiert, daß der Beamte B. sich mit Barabhebungen vom Girokonto schwertut, und die Kollegin G. die Postkarten mit angesabberten Fingern abzählt? Den Gelben Riesen ficht (fechtet?) das nicht an. Kein Wunder, ist er doch weiterhin quasi Monopolist.

Ähnlich verhält es sich beim Fernmeldedienst, der ja nun wohl Telekom heißt. Als mein Festnetz-Anschluß streikte, bat ich via Handy um Abhilfe. Die wurde mir erst für den nächsten Tag versprochen – es war ja auch schon fast 14 Uhr. Zwei Wochen danach rief mich noch eine Kollegin von dem dikken Tatort-Kommissar an und wollte wissen, ob ich mit der Fehlerbehebung zufrieden gewesen sei. Das fand ich nicht sonderlich effizient: Warum verbringt die Dame ihre Zeit nicht lieber auch mit Fehlerbehebung oder klärt von mir aus einen Mord auf? Andererseits, nett ist es schon, wenn sich jemand um einen kümmert. Das nämlich schafft Attraktivität. Daß die nicht Hand in Hand geht mit der Effizienz, ist klar.

Unser Verkehrsunternehmen stattet jetzt jeden Bus mit Brechtschem Chor aus, und Manfred Krug schraubt gerade meinen neuen ISDN-Stecker an. Nur um die Post mit ihrer sabbernden Frau G. mach' ich mir doch Sorgen.