Haschischraucher werden behandelt wie Falschparker

■ In der Schweiz sprießen wie wild Hanfläden aus dem Boden. Die Legalisierung dürfte nicht mehr aufzuhalten sein. Besonders beliebt sind die Tösstaler mit Che-Guevara-Konterfei

Die in Zellophan verpackte Münze hat etwa die Größe eines Fünfmarkstücks. Vorne ziert sie das Konterfei Che Guevaras, hinten der Schriftzug „Tösstaler“ – wohl eine Anspielung darauf, daß der Taler aus dem gleichnamigen Tal stammt. Beim „Tösstaler“ handelt es sich um ein Naturprodukt der speziellen Art: Er ist nichts anderes als eine Haschischplatte, käuflich erworben in einem der rund ein Dutzend Hanfläden, die es mittlerweile in Zürich gibt.

Seit Mitte der neunziger Jahre haben diese Hanfläden in der Schweiz einen regelrechten Boom erlebt. Waren es 1995 noch fünf, so gibt es mittlerweile etwa 130 solcher Läden. Die Tendenz ist steigend: Jedes Jahr kommen rund 40 neue dazu. Die findigen Kleinunternehmer lassen sich auch durch die Polzei nicht kleinkriegen. Immerhin fanden allein letztes Jahr größere Razzien in den Kantonen Thurgau und St. Gallen statt.

Stein des Anstoßes sind dabei nicht die vielerlei aus Hanf gefertigten Produkte von der Baseball- Kappe bis zur Jeans. Auch der Verkauf von vorgefertigten Filter- Papieren für den Joint (die gibt es mittlerweile an jedem Kiosk) sowie Hanfsamen und -pflanzen mag den Ordnungshütern wohl ein Dorn im Auge sein, ist aber gemäß Schweizer Recht legal: Cannabis Sativa befindet sich im schweizerischen Betäubungsmittelgesetz zwar auf der Liste der verbotenen Stoffe, doch sind Anbau und Besitz der Pflanze legal, sofern sie nicht als Droge mißbraucht wird.

Das Augenmerk der Fahnder richtet sich vielmehr – neben eindeutigen Fällen wie dem „Tösstaler“ – auf die weit verbreiteten sogenannten Duftsäcklein, mit Marihuana gefüllte Zellophantüten, die laut aufgedruckter Gebrauchsanweisung mit einer Nadel aufgestochen werden sollen, auf daß ihr Duft den Menschen zur Freude gereiche. Allerdings läßt sich der Inhalt dieser Säcklein genausogut rauchen, was die meisten Käufer machen – trotz der Warnung, der Inhalt dürfe nicht als Betäubungsmittel verwendet werden.

Die Besitzer der Hanfläden gehen davon aus, mit dieser Warnung seien sie aus dem Schneider. Anders sehen das Justiz und Untersuchungsbehörden. Ein bloßer Hinweis genügt ihrer Meinung nach nicht, um die Verkäufer aus der Pflicht zu nehmen. Und so häufen sich die Razzien in und die Schließungen von Hanfläden ebenso wie die Urteile gegen deren Betreiber – allerdings ohne daß dies dem Boom einen Abbruch täte.

Der öffentlich gerauchte Joint gehört in Kneipen und Bahn, auf Partys, Plätzen und Straßen in der Schweiz jedenfalls schon längst zum Alltag. Viele Kantone und Städte halten sich bei der Verfolgung von Haschischrauchern bewußt zurück. Ohnehin stellen Konsum und Besitz von Drogen zum Eigengebrauch rechtlich lediglich eine „Übertretung“ dar – wie das Falschparken.

Die Schweiz nimmt seit einiger Zeit eine Vorreiterrolle in der Drogenpolitik ein. Zwar sind Besitz, Herstellung und Konsum weicher wie harter Drogen nach wie vor strafbar. Doch sehen das Öffentlichkeit, Politiker und zunehmend auch die Behörden nicht so eng, insbesondere was die Hanfprodukte betrifft. In der Schweiz wird mittlerweile auf rund 40 Hektar Industriehanf angebaut, dazu kommen weitere 100 bis 150 Hektar, auf denen kommerziell THC-haltiger Hanf angebaut wird.

Bereits 1991 war mit dem Lausanner Bundesgericht das höchste Schweizer Gericht zum Schluß gekommen, Cannabis könne die körperliche und seelische Gesundheit der Konsumenten nicht gefährden. Nikotin und Alkohol seien ungleich gefährlicher, heißt es in dem Urteil.

Anfang März wurde im Schweizer Parlament ein Vorstoß zur Legalisierung von Cannabis nur knapp mit 65 zu 50 Stimmen abgelehnt. Wobei sich eine Mehrheit der Gegner nicht etwa prinzipiell gegen die Legalisierung stellte, sondern vielmehr der Meinung war, über diese solle erst im Rahmen der bevorstehenden Revision des Betäubungsmittelgesetzes entschieden werden.

Und mit der am vorletzten Donnerstag gewählten Bundesrätin Ruth Metzler zog nicht nur die zweite Frau in die Schweizer Regierung ein, sondern auch eine erklärte Befürworterin der Cannabis-Legalisierung. Matthias Preisser