Hoffnung für Afghanistan

■ Die Taliban und ihre Gegner einigen sich in Turkmenistan über eine Machtteilung

Berlin (taz) – „Ich würde nicht sagen, daß das die letzte Chance ist, aber ich würde an Sie appellieren, das afghanische Volk nicht noch einmal zu enttäuschen“, hatte der Afghanistan-Beauftragte der UNO, Lakhdar Brahimi, vor Wochenfrist den dortigen Kriegsparteien nahegelegt. Nach viertägigen Gesprächen in der turkmenischen Hauptstadt Aschchabad haben sie sich nun auf die Bildung einer Koalitionsregierung unter „Beteiligung aller politischen Kräfte des Landes“, ein gemeinsames Parlament und eine gemeinsame Rechtsprechung geeinigt. Dies bestätigten gestern die ultraislamistischen Taliban, die 80 bis 90 Prozent des Landes kontrollieren, sowie ihre Gegner von der „Vereinigten Nationalen Islamischen Front zur Rettung Afghanistans“ .

„Sollte die Frage der Zusammenstellung der neuen Regierung gelöst werden“, hieß es bei einer gemeinsamen Pressekonferenz, „so regelt sich die Frage eines Waffenstillstands von selbst“. Ein Sprecher der Taliban-Gegner erklärte gegenüber CNN, man habe die Fortsetzung der Verhandlungen zu Detailfragen für „so bald wie möglich“ vereinbart, „möglichst innerhalb Afghanistans“.

Die Einigung kam überraschend. Bis zuletzt weigerten sich die Taliban, über eine Machtteilung überhaupt zu reden, da sie sich als legitime Regierung Afghanistans betrachten. Ihrer Ansicht nach haben sich ihre Gegner, die früheren Mudjahedin, in Jahren blutiger Fraktionskämpfe als gute und damit zur Regierung taugliche Muslime disqualifiziert. Noch am Mittwoch wurden aus Zentralafghanistan Kämpfe gemeldet.

Die Gespräche kamen als Ergebnis einer Pendelmission des turkmenischen Außenministers Boris Scheichmuradow zustande. Turkmenistan ist das einzige im Afghanistan-Konflikt unparteiische Nachbarland. Anschließend übernahm Brahimi die Vermittlung. Auch Abgesandte der Organisation Islamische Konferenz waren beteiligt.

Was den Sinneswandel der Taliban bewirkt hat, ist bisher unklar. Sie waren in den letzten Wochen unter internationalen Druck geraten. Die USA und der bisherige Taliban-Hauptfinanzier Saudi-Arabien waren wegen der Affäre um Usama bin Laden zunehmend auf Distanz gegangen. Die USA wiederum hatten verstärkt auf Pakistan eingewirkt, die Taliban fallen zu lassen. Pakistans Geheimdienst ISI berät die Taliban militärisch.

Fragen wie die genaue Zusammensetzung der angestrebten Regierung können die Einigung immer noch platzen lassen. Und nach der Schneeschmelze in Afghanistans Bergen, die derzeit einsetzt, nehmen normalerweise die Kämpfe wieder zu. Thomas Ruttig