Das Prinzip Hoffnung

Der Historienfilm „Mit Feuer und Schwert“ ist in Polen ein Renner. Der Grund: Die Botschaft ist heute aktueller denn je  ■ Von Gabriele Lesser

Warschau (taz) – Der Krieger holt zu einem gewaltigen Schlag aus, das Schwert durchtrennt drei Hälse auf einmal. Die Köpfe mit den aufgerissenen Augen rollen am Boden, während die Körper noch wanken und das Blut aus den Hälsen schießt. Der Krieger sinkt auf die Knie, bekreuzigt sich und dankt Gott dafür, daß er ihm diesen Schlag gewährt hat. Damit ist der Schwur erfüllt, und er kann wieder mit einer Frau schlafen.

In Polen ist das zur Zeit der Kassenhit. Über zwei Millionen Menschen haben den Film „Mit Feuer und Schwert“ gesehen. Fast täglich berichten die Zeitungen von neuen Zuschauerrekorden oder spektakulären Preisen – in New York zahlen Exilpolen für eine Kinokarte 50 Dollar. In zwei Jahren soll der Film als Video auf den Markt kommen, das nationale Großereignis aber wollen alle sofort sehen.

Angekündigt hatte Altmeister Jerzy Hoffman einen romantischen Historienschinken à la „Vom Winde verweht“. Elf Jahre hat er gebraucht, um das Geld für den teuersten Film der polnischen Kinogeschichte zusammenzubekommen: über acht Millionen Dollar. Nach nur knapp einem Monat hat der Film bereits den Großteil der Kosten eingespielt. Doch ob „Feuer und Schwert“ auch im Ausland reüssieren wird, ist fraglich.

Für Nichtpolen ist der Film kaum zu verstehen. Obwohl er auf der Romanvorlage des Nobelpreisträgers Henryk Sienkiewicz (1846–1916) beruht, hat er fast keine Handlung. Zwei Männer, ein Pole und ein Kosak, kämpfen um eine Frau. Die liebt aber nur einen, den Polen, einen sehr edlen, aber etwas langweiligen Adligen. Die beiden heiraten. Der Gegenspieler aber, ein wilder, attraktiver Kosak, reitet, anders als im Buch, wo er von den Polen ermordet wird, von dannen. Durch den Film sollen die angespannten polnisch-ukrainischen Beziehungen wohl nicht weiter belastet werden.

Den Ukrainern dürfte auch die abgemilderte Fassung aufstoßen. Die Kämpfe der Tataren, Kosaken und Polen im 17. Jahrhundert hatte Sienkiewicz auf eine einfache Formel gebracht: Die Polen sind gut und edel, die Kosaken primitiv und böse. Warum Hoffman heute, da Polen sich anschickt, eine moderne Demokratie zu werden, ein nationalistisches Sittengemälde aus dem 17. Jahrhundert verfilmt, bleibt sein Geheimnis.

Der Film besteht in erster Linie aus Schlachtengetümmel und Besäufnissen. Die Polen kommen dabei keineswegs besser weg als die Tataren und Kosaken. Während die einen halbnackt aufs Schlachtfeld rennen, treten die anderen in schicken Uniformen an, verlieren aber ständig. Der eine schneidet dem nächsten die Kehle durch, rammt ihm einen Pfahl in die Gedärme – und immer zeigt die Kamera die blutspritzenden Wunden in Großaufnahme. Die Kosaken wirken primitiv und brutal. Doch auch die polnischen „Musketiere“ wirken nicht eben wie Helden. Wenn sie nicht gerade saufen oder den Schankweibern an ihre Busen grapschen, geraten sie in absurde Kampfsituationen, aus denen sie nur der Zufall oder der liebe Gott rettet. Sie beten ständig zur Jungfrau Maria um Kraft für den nächsten Kampf. Und dann brennt wieder ein Dorf, und in den Bäumen hängen die aufgeknüpften Bauern.

Was gefällt den Polen an diesem Film? Finden sie es spannend, wenn den Akteuren ständig das Blut aus dem Munde schießt? Oder wenn der Diener des edlen Polen ständig wiederholt: „Ich bin kein Bauer, ich bin ein Adliger – nur verarmt.“ Sind sie stolz auf diese Krieger, die zwar gut katholisch sind, aber nicht gerade gesegnet mit geistigen Gaben?

Tatsächlich hat der Film mehr mit der heutigen Situation der Polen zu tun, als es zunächst scheint. Im Land an der Weichsel sind die Menschen zutiefst verunsichert. Die politischen und wirtschaftlichen Veränderungen der letzten Jahre haben das Selbstbild der Polen nachhaltig erschüttert: Die Teilungen im 18. Jahhundert, der Zweite Weltkrieg, dann als Satellitenstaat unter Moskaus Herrschaft hatten das überhöhte Bild eines „Polen als Christus der Nationen“ tradiert. Polen litt stellvertretend für die anderen Nationen. Eines Tages aber, so hatte es Polens Nationaldichter Adam Mickiewicz prophezeit, werde das Land auferstehen und allen anderen geknechteten Nationen zur Freiheit verhelfen. „Für unsere und für eure Freiheit“ wollten die Polen kämpfen.

Seit 1989 kämpfen sie selbst mit der Freiheit. Außerdem stellte sich heraus, daß keine andere Nation auf den polnischen Erlöser wartete. Polen kehrte in den Kreis der politschen Akteure zurück. Als Beitrittskandidaten zu EU und Nato fühlen sie sich wie der verarmte Adlige, der dazugehört und dies ständig wiederholt, da die anderen ihn nur als Bittsteller sehen. Aus den Gemetzeln mit den Kosaken, die die historischen Polen meist verlieren, schöpfen die heutigen Polen Hoffnung. Mit Humor und der Jungfrau Maria geht es irgendwie weiter. Das war immer die Aussage des Romans. Und daran halten sich die Polen bis heute.