Raumfahrtexperten drücken sich vor Debatte

■ Kurz vor Beginn einer internationalen Tagung zur Ethik der Weltraumnutzung springen ESA und DLR ab. Sie fürchten eine kritische Debatte, weil sie ohnehin um ihre Gelder bangen müssen

Darmstadt (taz) – Eigentlich sah alles ganz gut aus: Vorgestern abend sollte die Tagung „Weltraumnutzung und Ethik“ mit internationalen Experten in Darmstadt beginnen. Auch Verantwortliche von der Europäischen Raumfahrtagentur (ESA) und vom Deutschen Zentrum für Luft und Raumfahrt (DLR) waren geladen und hatten schon zugesagt. Doch knapp eine Woche vor Veranstaltungsbeginn pfiffen die Führungsspitzen von ESA und DLR ihre Experten zurück. Selbst der Wissenschaftsaustronaut Ulf Merbold mußte in letzter Minute seine Zusage zurückziehen. Amerikanische Militärs haben dagegen überhaupt keine Probleme, in Darmstadt Rede und Antwort zu stehen.

Schon im Vorfeld der Tagung wurden Widerstände deutlich, berichtet gestern der Veranstalter, die Interdisziplinären Arbeitsgruppe Naturwissenschaft, Technik und Sicherheit an der TU Darmstadt (IANUS). Interessierte Experten aus dem industriellen Umfeld konnten nicht als Referenten gewonnen werden, weil ihre Vorgesetzten dies untersagten.

Wolfgang Bender, Professor am IANUS, vermutet hinter der Schweigsamkeit der Raumfahrtfunktionäre die Angst vor Mittelkürzungen. „Deshalb ist eine kritische öffentliche Diskussion über Raumfahrt nicht gewünscht“, sagte Bender gestern in Darmstadt. Der Hintergrund: Die Raumfahrtprojekte der Europäischen Raumfahrtorganisation ESA verschlingen mehr Geld, als die Forschungsministerin dafür ausgeben will. Rund 970 Millionen Mark überweist Deutschland dieses Jahr an die ESA. Die Hälfte davon fließt in die bemannte Raumfahrt, vor allem das Columbus Labor für die Internationale Raumstation. Die Fortentwicklung der Ariane 5 dürfte weitere 400 Millionen Mark verschlingen.

IANUS will auf seiner Tagung Kriterien für die Beurteilung militärischer und ziviler Weltraumprojekte entwickeln. Vor allem die Cassini-Mission der Nasa brachte in der Vergangenheit die Weltraumnutzung wieder in die Kritik. Denn die Cassini-Sonde hat für ihre Stromversorgung 33 Kilo Plutonium an Bord. Die Sonde, an der auch die ESA beteiligt ist, wird am 8. August dicht an der Erde vorbeifliegen, um Schwung zu holen für den Weiterflug zum Saturn. Wenn es dabei zu einem unbeabsichtigten Wiedereintritt in die Atmosphäre kommt, kann das Plutonium über dem Boden verglühen und viele Krebstote fordern. IANUS bedauert es, daß nicht einmal ein Vertreter über die von der ESA entwickelte Alternativen mit Sonnensegeln berichten darf. Wolfgang Schlupp-Hauck