Rechtlich wäre Ende der Wiederaufarbeitung möglich

■ Schadenersatz wird von Juristen verneint – vom Europa- bis zum Völkerrecht kaum Bedenken

Hamburg/Berlin (taz) – Entgegen den Behauptungen deutscher, französischer und britischer Atomfirmen ist ein Verbot der Wiederaufarbeitung von Atommüll im Ausland nach europäischem Recht möglich – so das Fazit einer gestern veröffentlichten Greenpeace-Studie. Das Gutachten widerspricht damit den Thesen anderer Rechtsgutachter, nach denen ein nationales Verbot der Wiederaufarbeitung gegen den Euratom- Vertrag und gegen den EU-Vertrag verstoße. Die mit einem Verbot durch ein EU-Land gesetzten schärferen Strahlenschutzregeln sind demnach mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar.

„Wenn die Atomanlagenbetreiber behaupten, ein Verbot der Wiederaufarbeitung schränke ihre Dienstleistungsfreiheit oder ihren freien Handel ein, so ist das Unsinn. Das EU-Recht läßt diese Möglichkeit im Sinne des Schutzes von Bevölkerung und Umwelt eindeutig zu“, meint der beauftrage Jurist Ulrich Wollenteit. Er hatte bereits vor drei Wochen nachgewiesen, daß auch nach deutschem Recht die Wiederaufarbeitung ohne Schadenersatzansprüche sofort beendet werden kann.

Auch das Völkerrecht kann der Atomindustrie wohl in diesem Fall nicht helfen. Die deutschen Energieunternehmen berufen sich vor allem auf den diplomatischen Notenwechsel, in dem sich die frühere Bundesregierung unter Hemut Kohl zur Zusammenarbeit mit Frankreich und Großbritannien bereit erlärt haben und entsprechende Verpflichtungen eingegangen sein soll. Völkerrechtliche Verträge, die Gegenstände betreffen, für deren Regelung der Bundesgesetzgeber zuständig ist, müssen vom Parlament auch abgesegnet werden. Ein diplomatischer Notenwechsel ist aber kein von der Verfassung vorgeschriebenes Ratifikationsverfahren. Notenwechsel binden nur Regierungen, die sie geschlossen haben, und können deshalb von einer Nachfolgeregierung im Zuge eines Politikwechsels wieder aufgekündigt werden.

Erschwert wird eine Urteilsfindung durch die mangelnde Offenheit: Weder etwaige völkerrechtliche Vereinbarungen noch die Notenwechsel, geschweige denn die Verträge zwischen Energieversorgern und den WAA-Betreibern sind bisher veröffentlicht. Hermann Weber/rem