Werbung für den Knast

■ Buch über die JVA Oslebshausen blendet dunkles Kapitel des Knast-Skandals aus. Mißhandlungen und Todesfälle kein Thema. Justizbehörde steuerte 6.000 Mark bei.

„Klare Disziplin ist die Voraussetzung für Sicherheit und Ordnung. Deshalb soll unbedingter Gehorsam mit militärischer Strenge durchgesetzt werden. Die Arbeit soll Erziehungsmittel sein. Die Arbeit ist wegen der Gefangenen da, nicht die Gefangenen der Arbeit wegen...“ Als Senator Lürmann die Justizvollzugsanstalt Oslebshausen vor 125 Jahren, am 5. Februar 1874, mit diesen Worten eröffnete, war dem Bau des Gefängnisses ein langer Kampf vorausgegangen. „Grafenschloß“ schimpften Bremens Bürger, als die Baukosten in Höhe von 350.000 Talern in der Öffentlichkeit bekannt wurden. Zum 125jährigen Bestehen der Justizvollzugsanstalt Oslebshausen haben die Jurastudenten Andreas Eicker und Niels Albrecht in ihrem Buch „Leben hinter Gittern, die JVA Bremen-Oslebshausen“ (Edition Temmen) Kurioses und Wissenwertes über die Haftanstalt zusammengetragen. So ist das Gefängnis beispielsweise im wahrsten Sinne des Wortes auf Sand gebaut. Oslebshausen kam als Standort für das Gefängnis infrage, weil es hier festen Sandboden gab, der das schwere Gebäude tragen konnte.

Ein halbes Jahr lang haben die Studenten 1997 im Knast recherchiert. Doch das Buch beschränkt sich nicht nur darauf, die Geschichte des Gefängnisses nachzuzeichnen. Die Frage „Was ist Kriminalität“, wird ebenso behandelt, wie nationale, europäische und internationale Entwicklungstendenzen für den Strafvollzug im 21. Jahrhundert. In zahlreichen Interviews beschreiben Bedienstete und Häftlinge darüber hinaus den Alltag im Knast. „Rein, Tür zu. Dann hast du da gesessen, und es passierte nichts mehr. Es hat keiner etwas zu dir gesagt, man hat nicht mit dir gesprochen... Mein erster Gedanke war, das packst Du nicht...“, beschreibt ein Untersuchungshäftling seine Lage. Dagegen heißt es im Protokoll eines JVA-Beamten: „Das Gefühl: ,Ich kann das nicht mehr sehen, das hat man. Das ist ganz klar. Irgendwann packt es den Stabilsten hier... Wenn man immer so, wie ich es für mich und zu meinen Kollegen sage, die Unterwelt um sich hat, wenn man sich dort ständig aufhält und tagtäglich die gleichen Sachen hört und die gleichen hohlen Sprüche seitens der Insassen, ... dann wird es irgendwann nervig und man sagt sich: ,Ich kann das nicht mehr sehen.'“

Trotz ihrer Recherchen haben die Autoren allerdings das jüngste Kapitel in der Geschichte Oslebshausens vergessen. Der Knast-Skandal, mit dem sich sogar ein parlamentarischer Untersuchungausschuß beschäftigt hat, wird mit keiner Silbe erwähnt – obwohl die Autoren genau in dieser Zeit im Knast fast jeden Tag ein- und ausgingen. Mißhandlungen durch Beamte und mysteriöse Todesfälle sind für die angehenden Juristen kein Thema. „Wir haben das nicht als unsere Aufgabe gesehen, diese Thematik zu problematisieren“, sagt Autor Niels Albrecht. Es sei „Aufgabe der Presse und der Politik, Licht in dieses Dunkel zu bringen“. Sie wollten „einen Einblick“ vermitteln und keine „Mißstände aufarbeiten“, fügt Andreas Eicker hinzu.

Das Bild, das die Autoren von der Justizvollzugsanstalt Oslebshausen zeichnen, ist deshalb bemerkenswert unkritisch. „Der medizinische Dienst hat die Drogenpolitik der Anstalt gut im Blick“, heißt es beispielsweise neben dem Foto des Anstaltsarztes, der in den Spiegel blickt. Ein Anstaltsarzt mußte eine Geldbuße zahlen, weil er die Methadon-Vergabe dem Pförtner überlassen hatte. Von der Beruhigungszelle, eine fensterlose stickige Zelle im Keller des Knastes, wird nur die hölzerne Zellentür gezeigt. Die Teilanstaltsleiterin sagt: „So, dann unterhält man sich mit den Betroffenen in der Verwahrung noch eine Viertelstunde, um eben eine gewisse Ruhe reinzubringen. Nebenbei werden stündliche oder halbstündliche Kontrollen angeordnet, damit derjenige, der in der Verwahrung liegt, beruhigt werden kann. Man gibt ihm das Gefühl, daß sich jemand um ihn kümmert. Das ist natürlich unsere Fürsorgepflicht.“ 1997 starb Udo J. in der Beruhigungszelle. Er erhängte sich an einer offenen Essensklappe. Entgegen der Anordnung hatten die Beamten den Häftling nicht kontrolliert. Aber darauf, daß die Selbstmordrate im Bremer Knast jahrelang höher war als in anderen Gefängnissen, darauf gehen die Autoren nicht ein.

6.000 Mark hat das Justizressort zur Veröffentlichung des Buches beigesteuert. Vielleicht ist das ein Grund dafür, warum die Autoren darauf verzichtet haben, die dunklen Seiten der Anstalt zu schildern – die auch ins Buch gehört hätten.

Kerstin Schneider