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: Sehr „anständig“

„Knigges Jünger“, Fr. 22 Uhr, ARD

„Mich würde das Thema Small talk interessieren. Wie führt man ihn am besten durch?“ fragt ein treudoofer Banker aus „einer kleinen Ortschaft“. Er und etwa 20 Kollegen, die „auffällig geworden“ sind, wurden zu einem Seminar bei einer Anstandsdame verdonnert – und die Reporterin Rita Knobel-Ulrich war dabei.

Etikette à la Knigge sei „wieder gefragt“, so ein Off- Kommentar. Daß Etikette tatsächlich einmal out war, diesen Beweis bleibt der Film schuldig. Dennoch scheint bei diesem Thema fast unmöglich, eine langweilige Reportage zu drehen über die Frage, „ob die Serviette nach vorn oder nach hinten gefaltet wird“. Bei diesen nur scheinbar altbackenen Benimm-Regeln geht es schlicht um die Vermittlung von Herrschaftswissen: „Je höher die Frau in der Position steigt, desto kürzer werden die Haare“. Und: „Sie müssen in der Situation blitzschnell entscheiden: Wer ist der Ranghöhere?“

Leider hat sich Frau Knobel-Ulrich das Thema Knigge allzu sehr anverwandelt. Der stumpf sein Thema begaffende Film beobachtet nicht. Was wir im Bild sehen, wird mit stumpfer Pseudo-Ironie noch einmal durchgekaut. Doch daß eine Seminarleiterin, die viel Geld dafür kassiert, den Small talk auf Anstandsniveau zu bringen, ohne mit der Wimper zu zucken „Negerkuß“ sagt, entgeht der Reporterin.

Ihr Film verrät keine Sekunde lang auch nur den Hauch einer Ambition, das Unappetitliche, Obszöne und Verbiesterte dieses verlogenen Verhaltenskorsetts aus einer etwas schrägen Perspektive zu zeigen. Dieses Format einer operationalisierten Belanglosigkeit entspricht leider dem mehr und mehr absackenden Niveau dieses Sendeplatzes „ARD Exklusiv“. Manfred Riepe