Die Vorschau
: Atomphysiker und Astronauten

■ Gluecifer & Mad Sin spielen im Moments ironischen Punk und Psychobilly

Die Skandinavier sind bekanntlich die Japaner von Europa. Minutiös untersuchen sie jede Regung der amerikanischen Rock-Kultur auf ihre quintessentiellen Bestandteile und zaubern daraus eine Mischung, die noch authentischer daherkommt als das Original. Wo Bands in Japan versuchen, mit komplizierten Hi-Tech-Finessen den möglichst besten Lo-Fi-Sound hinzuzaubern und Verstärkertürme im Handtaschenformat zu entwickeln, beschränken sich Gluecifer aus Oslo allerdings nur auf die minimalsten Zutaten böser, alter Rockmusik: Bier, Bourbon und donnernde Akkorde wie eine mittelschwere Sturmflut. Das Jahr 1998 konnte sich dabei nicht so recht erklären, warum ausgerechnet Gluecifer und ihre Spielgesellen vom Schlage Hellacopters oder Turpentine so dermaßen abgeräumt haben, daß vergessen wurde, daß Rock ja tot ist, sowieso und überhaupt.

Hört nicht, wer was auf sich hält, nur noch „intelligent music“ und führt nur Verachtung im Munde für jene, die sich noch für die Mätzchen ewiger Rocker mit echt ehrlichen Gesichtern begeistern können? Kann sowas sein oder müssen wir uns alle um unsere Ästhetik Sorgen machen? Vieleicht spielen die Norweger auch deswegen im „Moments“, home of Urban Style, Cool Jazz und Latino House. Sie sind ein wenig wie die Ramones, die sich auch nur dumm gestellt haben und dabei genau wußten, da sie eh nur vor Studenten spielen würden und sonst auch niemand ihre belesenen Anspielungen verstehen konnte.

Die neue Split-CD von Gluecifer und The Hellacopters heißt „Respect for Rock-America“, ein popmoderner Holzhammer, der darauf hinweist, was die Medien nicht sagen dürfen, weil sie sonst keine gute Story haben. Diese Art der Punk-Ironie steckt in ihnen wie auch die Offensichtlichkeit der ganzen Inszenierung. Aber nur zu behaupten, daß die Boys eine höllisch gute Show hinlegen, wäre reichlich unfair. Gluecifer brauchen nicht von ihrer Vergangenheit zu schwafeln. Davon haben sie genug, sie haben ihre Fäden in der Hand. Und keine PR-Abteilung muß sich kleine Geschichten für die Presse ausdenken.

Vieleicht ist auch ihr Pech, daß Kiss zurück sind und nun wieder ein Trend oder eine Welle übers Knie gebrochen wird. Gluecifer kann es egal sein. Sie haben sich ihren Rahmen gesteckt und toben darin herum. Performer machen eine Performance.

Vorab werden aber Mad Sin die Halle warm spielen, eine Band, die sich einer ausgestorbenen Subkultur, dem Psychobilly, widmet – was ziemlich einfach ist, weil vom Psychobilly nichts anderes als die Erinnerung an Glatzen mit Hörnern geblieben ist. Man kann die ganze Szene sozusagen von der Pieke wieder aufbauen. Und die Jungs aus Kreuzberg geben sich redlich Mühe, vorne mit dabei zu sein.

Vor der Bühne balgen sich Leute, die nicht zugeben wollen, daß sie schon so alt sind und auf ein Oldie-Programm reingefallen sind. Aber es dürfte auch egal sein weil es so gut für die Seele ist, die täglich Höllenqualen durchsteht, wenn aus irgendeinem Radio der neue Aufguß eines Schlagers blökt, den man längst vergessen gehofft hatte. Und wer will schon die 80er recyclen, wenn das Grunge-Revival in voller Blüte steht?

Wichtig ist der Dampf unter der Decke und die Ekstase, wenn man mit anderen Leuten in einem großen Pulk herumstolpert. Alles andere ist Gerede von Leuten, die mit Gerede ihr Geld verdienen (und eigentlich sind Gluecifer auch keine richtigen Rocker, sondern Atomphysiker und Astronauten, die aus Spaß eine Band haben. Die ganze Wahrheit bei www.houseofkicks.se).

Let there be sound! Tommy Blank

Gluecifer und Mad Sin spielen am Sonntag, 21. Februar, ab 20 Uhr im Moments